Sonntag, 25. Juli 2010

Mopz Wanted - Begleiterscheinungen




Wie erklärt man einem Außenstehenden das Schaffen und Wirken eines ihm gänzlich nichtssagenden Künstlers einer, im ungünstigsten Falle, ihm völlig unbekannten Musikrichtung? Ein oftmals schwieriges Unterfangen. Im Falle von Mopz Wanted könnte man auf den bedeutenden irischen Schriftsteller William Butler Yeats verweisen. Denn ähnlich wie dieser in seinem Gedicht „He Wishes for the Cloths of Heaven” schrieb ‘Die Träume breite ich aus vor deinen Füßen. Tritt leicht darauf, du trittst auf meine Träume’, so fühlt es sich an wenn Mopz Wanted das Mikrofon ergreift und zum Hörer spricht. Offen, ehrlich und in seiner Wortwahl wohlüberlegt.

Nach „Zeichensprache“ und „Ein Neuer Morgen“ folgt nun der dritte Streich „Begleiterscheinungen“. Im betrübten Grau daherkommend, zeigt dieses die endlos wirkende Straße, die hier als Synonym fürs Leben selbst genommen werde kann und die zahllosen Wege und Möglichkeiten, die dieses offenbart. Ein bewusst philosophischer Ansatz der Interpretation, der dem sprachlichen Gefühl und der Qualität von Mopz Texten nur gerecht wird, noch ehe dieser sich mit „Von Kopf Bis Fuß“ als Liebhaber der Kultur Hip Hop präsentiert und diese Liebe lebt und liebt.

So besitzt ein Lied wie „Neues Spiel Neues Glück“ bereits mehr Inhalt, als es manch realitätsfremden Ghettoproleten recht sein dürfte. Alles hinter sich lassen, neu beginnen und aus begangenen Fehlern lernen – dass hier jede Menge Herzblut hineingesteckt wurde versteht sich da fast schon von selbst und lässt sich gleichwohl ohne Anstrengungen auch von Laien heraushören. Herauslesen lassen sich hingegen die Texte und das ist, wie so oft, wenn die Lyrics ins Booklet gedruckt werden, durchaus zu empfehlen, um auch keine Silbe zu verpassen. Beispielsweise wenn gemeinsam mit Franksta, Pitza, Plus, Tatwaffe und Def Benski über „Freunde“ respektive falsche Freunde gesprochen wird.

Auch die von den Vorgängern bekannte Eylem überzeugt auf „Heimat“ in gewohnter Art und Weise und geschmackssicherer Stimme, wohingegen mit Sinuhe, Daez und Mirko Polo auch neu hinzugekommene Gäste ihren Weg aufs Album fanden und sogleich mit überaus ansprechender Leistung überzeugen. Den Titel für das beste Feature heimsen dennoch Ninjoe und Grantill, auch bekannt als Rohdiamanten, ein. „Auf Einen Nenner“ ist ohne jegliche Übertreibung ein gehaltvolles Stück Rap auf höchstem Niveau, das fesselt von Anfang bis Ende und sich ins Gedächtnis brennt.

Jene Momente, von denen „Begleiterscheinungen“ gleich einen ganzen Haufen liefert, sind es, die unter die Haut gehen und ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit hervorrufen. Dankbarkeit für einen Künstler, der Rap als sein Sprachrohr begriffen hat und sich beim Schreiben seiner Texte Gedanken macht. Dankbarkeit für eine von vorne bis hinten durchdachte wie gelungene Platte, die fortan ins Standard-Repertoire einer jeden Sammlung gehören sollte. Anders formuliert: geht Mopz Wanted „Auf Hoher See“ zur Werke und bittet uns mitzukommen, sollten wir nicht zögern und die Segel streichen. Sure shot.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

FaZ - Für Alle Zeit




Hip Hop in der Gegenwart – in den Medien präsent, mit etlichen Klischees behaftet und bei genauem Hinhören vielleicht abwechslungsreich und vielfältig wie niemals zuvor. Vom klassischen BoomBap mit Sample und Pianoklängen über große Synthie-Gewitter bis hin zum gewagten Hybriden aus Rap und elektronischen Einflüssen. Während die Einen ununterbrochen auf der Suche sind nach dem nächsten neuen Sound, der die Massen begeistert, suchen andere ihr Glück in den eher traditionelleren und wohl bekannteren Gefilden. Zu überzeugen weiß, fähiges Personal vorausgesetzt, freilich beides.

Der aus den östlichen Gefilden unseres Landes kommende FaZ steht mit seinem Album „Für alle Zeit“ dabei mehr für die bodenständige Version von Rap, gute alte Hausmannskost wenn man so möchte. Sowohl in musikalischer Hinsicht, wo er mit Morlockk Dilemma, Franksta (Inflabluntahz) und Donato ähnliche Vertreter seines Faches für den Langspieler gewinnen konnte. Als auch in Hinsicht auf FaZ selbst, der sich auf dem Cover und im Booklet als der ganz normale Typ darstellt. Als greifbare Person, die sich nicht über den Hörer stellt, sondern bescheiden neben ihnen auftritt.

Schon hierbei umkommt einen das wohlige Gefühl der jüngeren Vergangenheit, als deutscher Hip Hop noch klein war und der heutige Ghetto-Repräsentant noch brav die Schulbank drückte. Unterstützt wird dieses Feeling durch „Bandmaschine“. Sympathisch klare Raps, eine geerdete Produktion und Dendemann als Vocalsample – das passt alles in sich zusammen und funktioniert als Gesamtes hervorragend. Nicht weniger hochwertig die Kollabo mit Dilemma, Linse und Zaehre für „2manyMcees“, wobei FaZs Können erstmals so richtig zum Vorschein kommt neben dem Leipziger Edelspitter.

Groß auch das Zusammentreffen mit Franksta von den Inflabluntahz und Donato, mit denen FaZ vom „Puls deiner Stadt“ spricht und im Endeffekt nicht weniger als eine entspannte Angelegenheit abliefert, die man sich gerne in die Playlist packt. Gesteigert wird dies alles durch das Feature von Justus League-Member L.E.G.A.C.Y. auf „Identität“ – einen Gast aus Übersee, wie ihn nun wahrlich nicht jeder auf seinem Album begrüßen darf.

Geschichten aus den Betonbauten sucht man auf „Für alle Zeit“ wie erwartet vergeblich, stattdessen bekommt man einen reifen Menschen zu hören, der seine Form des Rap präsentiert und so als starkes Ausdrucksmittel seiner Gedanken nutzt. Ob man dies nun als Rap eines Erwachsenen für Erwachsene bezeichnen mag ist dabei nur Nebensache, Kern des Ganzen sind die daraus resultierenden Tracks, welche im Idealfall klingen wie „SicherlichSicher“ oder das unmittelbar folgende „Fehlerhaft“. Beides Paradebeispiele für intelligente Stücke.

FaZ ist ein Rapper ohne Kanten und Ecken, eine runde Persönlichkeit, die gerade durch ihre offenbare Unscheinbarkeit auffällt. Effekthascherei und Schnick-Schnack sind für ihn Fremdworte und Hip Hop ein zentraler Teil seines Lebens. Das merkt man auch als Hörer nur allzu deutlich, so dass sich letztlich vor allem jene für „Für alle Zeit“ begeistern werden können, die mit dem an Adoleszenz erinnernden Auftreten und Verhalten vieler Rapper wenig bis gar nichts anfangen können.
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Diese Review erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Sonntag, 11. Juli 2010

Eko Fresh - Was Kostet Die Welt?




In der heutigen Zeit, in welcher nahezu stündlich neue Jungspunde aus dem Asphaltboden schießen, um sich auf den langen und oftmals erfolglosen Weg in Richtung Rap-Thron zu machen, wirkt ein mittlerweile 26-Jähriger Rapper alles andere als jung. Ganz anders sah die Sache jedoch zu Ekos Anfangstagen aus: jung, hungrig auf Erfolg und technisch bereits enorm weit, bekam er als Rap-Wunderkind seinerzeit die Förderung und Schützenhilfe von keinem geringeren als Kool Savas. Zwar endet dieses zunächst wunderbar funktionierende Zusammenspiel nur allzu jäh und brachte einen der bis heute geschichtsträchtigsten Beefs zur Folge. Ekos Werdegang als Künstler ging jedoch weiter und führt nun zum bis dato letzten Album „Was kostet die Welt?“.

Dabei gab es in der Karriere des Eko Fresh noch weitaus mehr Zwischenfälle als den Disput mit seinem einstigen Mentor Savas. So verschob sich das Bild, welches man von Eko hatte, weg vom vielversprechenden Reimekünstler hin zur Zielscheibe zahlreicher Rap-Kollegen und auch das allgemeine Interesse nahm augenscheinlich ab. Erst mit der letztjährigen „Jetzt kommen wir wieder auf die Sachen“-EP gelang es, den Ruf wieder etwas aufzupolieren, der nun mit „Was kostet die Welt?“ und den darauf enthaltenen achtzehn Stücken wieder im Glanze vergangener Tage scheinen soll.

Erfreulich zunächst das stimmige wie technisch äußerst saubere „Der Don III“, auf dem Eko gleich einmal an die zuletzt sehr guten Leistungen anknüpft. Dass er auch in der Lage ist anspruchsvolle Instrumentale zu berappen, beweist er als „1 Mann Orchester“ auf einer, man lese und staune, Mozart-Sinfonie. Spätestens hier darf man in einem Rausch von Enthusiasmus verfallen und Eko, zumindest für den Moment, zustimmen, wenn er gemeinsam mit Stefan Lust (eine Hälfte des Duos Erkan & Stefan) behauptet: „Ich Komm Krass“.

Neben Phat Crispy und dem langjährigen Weggefährten Serious Sam, die den Großteil des Albums produziert haben, gibt es darüberhinaus zwei Monroe-Beats, „Wieder Fresh“ sowie „Ek Lass Nach“. Insbesondere erstgenannter Track überzeugt auf Anhieb und trifft somit voll ins Schwarze. Dies lässt sich leider nur zum Teil vom Titeltrack behaupten, der gerade in der Anfangsphase gewöhnungsbedürftig ins Ohr geht, allerdings direkt im Anschluss von der überzeugenden Cetin-Kollabo „Königin Der Nacht“ abgelöst wird, einem ohrwurmartigen Geschöpf der für Ek ungewöhnlicher Art.

Ehe das Albums schließlich mit den positiv stimmenden Tracks „Happy End“ und dem Bonus Cut „Frei Wie Ein Vogel“ ausklingt, sollte noch auf die Features eingegangen werden. Neben wenig überraschenden Personalien wie Farid Bang und Summer Cem taucht hier unter anderem Rapsouls CJ Taylor auf, auch darf Bass Sultan Hengzt seinen Beitrag zum „Widerstand“ abgeben. Der Höhepunkt ist jedoch die Vorstellung des verschollenen Sentinos, der für „Der Ghostwriter“ nur erneut seine Skills zur Schau trägt.

„Was kostet die Welt?“ erschüttert die Rap-Welt weder aufgrund seiner Großartigkeit, noch wird der nach negativen Kritiken lechzende Mob befriedigt. Vielmehr ist es nach „JKWWADS“ die zweite positive Rückmeldung von Ekrem Bora, der vor allem unterhaltungstechnisch gefühlte Welten vorangekommen ist seit den doch recht einfallslosen Tupac-Wiederverwertungen vergangener Tage. Eko war nie weg, ist nicht wieder zurück, zeigt sich aber dennoch in wohlwollender Form, wie sie zeitweise nicht zu erwarten war. Kann was.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Antihelden - Kein Happy End




Nanu, was haben wir denn da – zwei Rapper, die die magischen Dreißig hinter sich haben, damit schon mehr zum Stamminventar eines Deutschrap-Kataloges gehören als zum heißen, neuen Scheiß. Zwei Rapper, die solo bereits für Aufsehen sorgten; sei es der zunächst im Verbund mit Casper und Separate auf sich aufmachende Abroo, oder der für reichlich Gesprächsstoff sorgende Dra-Q, welcher vor Jahren die Gelegenheit beim Schopfe ergriff und für eine bekannte Fast-Food-Kette in deren Werbung rappte. Zwei Charaktere, die auf ihre Weise polarisieren und nun als Duo mit tatkräftiger Mithilfe von Produzenten wie den Snowgoons und Sicknature einen Gegenentwurf zum Möchtegern-Kleinkriminellen-Rap darbieten.

Allzu oft wird hierbei sogleich von rückwärtsorientierten Rap gesprochen, der seine Wurzeln tief in der Vergangenheit hat und in der heutigen Zeit schlichtweg langweilig bis irrelevant ist. Und wenn mit dem „1 Zu Der 2 Shit“ unter anderem Black Moon und deren „2 Turntables & A Mic“ Tribut zollen, wird die Befürchtung zunächst genährt. Doch schon hier wird das geschulte Ohr bemerken, dass es sich dabei keineswegs um altbackene Sounds handelt, sondern um ein von Sicknature (produziert sonst gerne auch für Ill Bill und die La Coka Nostra) gezimmertes Klanggebilde klassischer Bauart auf dem Stand von 2010.

Mit dem Fortschreiten der Trackliste bekommt man derweil satte Kritik in den Gehörgang geprügelt. Ob auf „Hörst Du Diese Stimmen“ oder „Glühbirnengesellschaft“ mit einem wie immer tadellos aufblitzenden Morlockk Dilemma, ob allgemein an die Gesellschaft gerichtet oder mit Fokus auf die Arbeitswelt. Der erhobene Zeigefinger des Besserwissers bleibt stets in der Hosentasche versteckt und wird ersetzt durch ironische Aussagen, die den Kern der Sache dabei dennoch treffen.

Einer der absoluten Höhepunkte ist „Weltanschauung“. Um Klaus Zumwinkel und tragische Vorkommnisse wie jenes, welches Winnenden zu trauriger Berühmtheit verhalf, wird ein pessimistisches bis fast schon aufgebendes Bild der Gegenwart gezeichnet. In dieser Deutlichkeit ist man für einen Moment wie paralysiert, erst Amaris und dessen Beihilfe bei von einem sensationellen Snowgoons-Beat getragenen „Glauben“ sorgt für Abhilfe und rückt die Gedanken wieder in die richtige Position. Gerade rechtzeitig, um Q, Abroo und Viennas Finest Kamp beim galanten Beleidigen der Ex-Freundinnen zu lauschen („Wie Konntest Du (Kai Pflaume)“ respektive „Generation Doomed“ im Mortis One Mix, für den auch ein Feature mit Sabac Red klargemacht werden konnte.

„Kein Happy End“ ist unterm Strich also längst keine Erörterung über die neuzeitlichen Umstände, der ausschließlich angehende Professoren beiwohnen dürfen. Wenngleich man Kritik in Reimeform schon weitaus stumpfer zu hören bekam und etwas Basiswissen durchaus hilfreich sein kann beim Deuten der Texte. Egal wie man es auch drehen und wenden mag, altbacken und irrelevant ist hier keines der Stücke. Der Geist alter Tage im zeitgemäßen Gewand trifft es da schon eher.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Montag, 5. Juli 2010

Bosca & Face - Kinokarte: Film eines Lebens




Als Deutschrap-Fan erinnert man sich gerne an das vergangene Jahr, gab es doch so manch hochklassigen Release. Einer davon war mit Sicherheit „Lieber bleib ich broke“ vom Frankfurter Vega, der damit den Stein bei Butterfly Music ins Rollen brachte. Mitte 2010 ist es nun an Bosca und Face, zwei bis dahin eher unbekannteren Namen, die Geschichte des Labels fortzuführen. „Kinokarte“ ist dabei eines jener Mixtapes, die aus gesammelten Werken der jüngeren Vergangenheit bestehen - in diesem Fall sind es Stücke aus den letzten zwei Jahren.

Nun ist der Sinn und Zweck einer solchen Veröffentlichung gerne einmal nur allzu schwer zu ersuchen, so dass man sich als Hörer doch die Frage stellen muss, weshalb man nicht gleich auf neues Material setzt. Was im Vorfeld jedoch nicht als Manko gewertet werden sollte. Denn immerhin setzt es schon zu Beginn mit „Würdest du?“, „Seelenschrift 2007“ und „Identität“ mit Feature-Part von Olson Rough gelungene Stücke, denen man längst nicht anhört, dass diese bereits den ein oder anderen Monat auf dem Buckel haben. Dies liegt zum einen an der durchaus souveränen Vorstellung der beiden Rapper, wobei vor allem Bosca zu überzeugen weiß. Zum anderen glänzen die Produktionen im für Straßenrap typischen Mix aus Melancholie und französischen Inspirationen.

Nur selten wird Abstand genommen vom Pathos der Straße, etwa wenn für „Vive La Musique“ mal eben eine Liebeserklärung an Rap respektive die Musik rausgehauen wird. Ansonsten bewegt sich „Kinokarte“ überwiegend in gewohnten und bestens bekannten Fahrtgewässern, während personelle Unterstützung von Vega selbst nicht fehlen darf. Dieser kommt auf den achtzehn Tracks gleich vier Mal zu Wort und hinterlässt stets einen positiven Eindruck. Unnötig zu erwähnen, dass Vega den Hauptprotagonisten dabei in den Punkten Präsenz und Wirksamkeit ein gutes Stück voraus ist.

Arg viel mehr bleibt über das Mixtape dann auch gar nicht mehr zu sagen. Face & Bosca reißen mit ihren Reimen keine Schlaglöcher in den Boden, fallen jedoch auch nicht negativ auf. Die Produktionen sind, wie erwähnt, an französische Vorbilder angelehnt und liefern den passenden Untersatz für Geschichten aus dem Frankfurter Leben. Und als Zuhörer ist man letzten Endes weder Zeuge etwas Großem, noch hat man das Gefühl, etwas richtig Schlechtes gehört zu haben.

„Kinokarte – Film eines Lebens“ ist ein musikalischer Film ohne große Überraschungen und Innovationen, der sich auf die wesentlichen Eigenschaften des Genres, hier deutschsprachiger Straßenrap, konzentriert und dabei gar nicht mal eine so schlechte Figur abgibt. Großtaten in Form waschechter Blockbuster sollte man daher nicht erwarten, wer jedoch etwa Azad und ähnliches steht, darf rein hören und sich selbst ein Bild machen.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Sonntag, 4. Juli 2010

Vinnie Paz - Season Of The Assassin




Bald zwei Dekaden im Spiel, davon allein über 10 Jahre als stimmliche Abrissbirne von Jedi Mind Tricks, etliche Beteiligungen an weiteren Projekten (Army Of The Pharaohs, Outerspace), sowie Gastparts auf zahlreichen Alben. Vinnie Paz ist bei bestem Willen kein Neuling mehr im Spiel und weiß wie der Hase zu laufen hat. Und dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, erscheint mit „Season Of The Assassin“ das erste Solo-Album des Pazmanian Devil, wie sich dieser gerne nennt. Ohne Jus Allah als Partner am Mic, ohne Produktionen von Stoupe The Enemy Of Mankind, dafür aber mit jeder Menge anderer namhafter Beteiligungen. Eine stilistische Abkehr vom Altbekannten also?

Mitnichten. Vinnie Paz lässt es gewohnt brachial zur Sache gehen, was naturgemäß an seiner doch äußerst beeindruckenden Stimmlage liegt, als auch an den aufs Leib gezimmerten Beats. Wenn Deutschlands Exportschlager Shuko etwa für „Beautiful Love“ die harten Drums auspackt, dann kommt zusammen, was zusammen gehört. Selbiges lässt sich wohl auch über die Kollabo mit Jakk Frost und Freeway auf „Pistolvania“ sagen. Die Schnellspur und Gedankentricksers, zwei der wohl charismatischsten Stimmorgane im Spiel, treffen aufeinander – liest sich nicht nur groß klingt auch so.

Sicknature und DJ Muggs sorgen für ordentlichen Piano-Einsatz, ganz wie sich das für Alben von der Ostküste gehört und selbst das Beat-Genie schlechthin, Madlib, sorgt – etwas überraschend – mit „Aristotle’s Dilemma“ für einen echten Höhepunkt der Platte, bei der vor allem Vinnie Paz die zum Teil doch deutlich formulierte Kritik der letzten JMT-Veröffentlichungen ablegt und sich ausgesprochen stark gibt. „Kill ‚Em All“ mit dem Broad Street Bully Beanie Sigel Höchstselbst kommt Stoupes Form der Kunst derart Nahe, dass man für einen kurzen Moment fast vergessen könnte, es mit Vinnies Soloplatte zutun zu haben.

Ein weiterer erwähnenswerter Eckpunkt ist „Keep Movin‘ On“, welches durch versöhnliche Reime auch im Klangbild für etwas Abwechslung sorgt und der wie gewohnt wild um sich reimende R.A. The Rgugged Man auf „Nosebleed“, der dem werten Paz stellenweise gar die Butter vom Brot nimmt. Sowie das von 4th Disciple produzierte „Washed In The Blood Of The Lamb“, auf welchem sich Vinnie ganz in seinem Element gibt, was auch positive Auswirkungen auf das Hörvergnügen Dritter zur Folge hat.

Zwar durfte man im Vorfeld vor allem aufgrund des Fehlens von Stoupe die Qualität des Ganzen in Frage stellen. Doch gerade hier hat es Vinnie Paz geschafft mit einer ganzen Riege an Top-Produzenten (unerwähnt blieben etwa die Beatminerz, Fizzy Womack, Bronze Nazareth & Lord Finesse) aus dem gewohnten Soundgefilde zu entfliehen, sich in gut dosierter Weise auf weniger plattgetretene Pfade zu wagen, ohne alteingesessene Fans vors Horn zu stoßen. So dass man nach dem offen vorgetragenen „Same Story (My Dedication)“ weder das Gefühl hat, ein JMT-Album gehört zu haben, noch einen abseits taumelnden Tazmanischen Teufel.

Vieles spricht für „Season Of The Assassin“: der wieder erstarkte Paz, die fast durchweg gelungenen Produktionen von Könnern ihres Fachs, Gastbeiträge, die sich gut einfügen (Ill Bill, Paul Wall (!), Block McCloud) und überhaupt ein rundum gut gemachtes Auftreten. Einziges Manko ist, wenn man es überhaupt als solches auslegen kann, gerade die oft genug erwähnte Stimme von Paz. Im ersten Moment noch fesseln und brachial, entwickelt sich das Zuhören im Laufe eines ganzen Albums schon mal zu einer kleinen Motivationsübung. Abgesehen davon, kann Vinnie Paz wirklich sehr stolz auf sein erstes eigenes Werk blicken. Ansprechend.
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Diese Review erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de