Dienstag, 24. Mai 2011

Brotha Lynch Hung - Coathanga Strangla




Um Brotha Lynch Hung zu verstehen, bedarf es mehr, als bloßen Sachverstand, denn was der gute Mann seit Beginn seiner Karriere abliefert, ist alles andere als banal. Zur Speerspitze des amerikanischen Horrorcore gehörend, sorgt dieser seit jeher mit seinen Texten für Aufregung. Denn statt bloßer verbaler Schilderung von Gewalt, geht dieser noch einen Schritt weiter und nimmt sich (Selbst-)Mord und Kannibalismus an, um daraus akustische Horrorabfahrten zu gestalten. Einen sehr guten Eindruck dessen konnte man sich letztes Jahr verschaffen, als mit „Dinner And A Movie“ der erste Teil einer geplanten Trilogy über Tech N9nes Strange Music Label auf den Markt kam. Nun folgt mit „Coathanga Strangla“ die Fortsetzung.

Wie schon beim ersten Teil, erinnern die 21 Anspielpunke in ihrer Gesamtheit an ein makaberes Hörbuch, ein in Tonspuren festgehaltener Film, der in den Gedanken des Hörers seine Leinwand findet. Das war und ist das Konzept der Triology und funktionierte schon bei „Dinner And A Movie“ äußerst gut und schaffte jede Menge düstere Momente, die dem Hörer einiges abverlangten. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass man sich des Öfteren vor Augen halten muss, es hier lediglich mit der künstlerischen Freiheit eines sehr eigenen Charakters zu tun zu haben, der abseits des Studios Vater mehrerer Kinder ist und dessen langjährige Freundin Lauren Brinson gar als Feature in Erscheinung tritt.

Als Künstlerperson hingegen wirkt der Vergleich zu Hannibal Lecter passend. Auf der einen Seite wirkt er bedrohlich, etwa auf „Red Dead Bodies“ oder „Friday Night“, wenn er sich wieder einmal dem Kannibalismus hingibt. Auf der anderen Seite kann man ihm eine außerordentliche Kompetenz zur Sache nicht abstreiten. So belässt es Brotha Lynch Hung nicht bei extremen Inhalten, sondern überzeugt auch auf technischer Ebene. Schnelle, perfekt sitzende Reimstafetten passen dabei ebenso ins Bild, wie ins Detail verliebte, bildliche Sprache, die es Kevin Mann, so Hungs bürgerlicher Name, erlaubt, gekonnt Storylines ins Mikrofon zu spucken.
„Mannibalector“ ist so eine unglaublich gute Vorstellung von Hung als Rapper, bei der er sein ganzes Können einsetzt, um den unheilvoll bis bedrohlich inszenierten Beat auszufüllen und setzt dabei ein dickes Ausrufezeichen. Nicht weniger gewollt dramatisch dann „Look It’s A Dead Body“ oder auch „Sooner Or Later“, Stücke, die so auch auf dem Soundtrack eines Splatterfilms funktionieren würden. Dazu gibt es einige Features, hervorzuheben sind jedoch vor allem die Auftritte von Labelboss Tech N9ne, mit dem auf „I C U“ bzw. „Takin’ Online Orders“ bestes Geschichtenerzählen betrieben wird.

Ebenfalls sehr positiv auffällig wird „I Don’t Think Momma Ever Loved Me“, der sich in Puncto Extreme etwas zurückhält und mehr in die Psyche des Killers blicken lässt, wodurch man nur noch mehr das Gefühl bekommt, Teil eines brutal inszenierten Horrorfilmes zu sein. Für das Album ist dies selbstverständlich genau richtig und legt so hinsichtlich der konzeptuellen Umsetzung noch eine Schippe drauf. Lediglich die Frage nach den klaren Höhepunkten, lässt sich aufgrund des inhaltlich aufeinander aufbauenden Stücke nur allzu schwer beantworten. Ein Umstand, über den man sicherlich hinwegsehen kann und will.

„Coathanga Strangla“ ist ein rundum gelungenes Werk, welches aus der Feder eines gekonnt auftrumpfend agierenden Brotha Lynch Hung stammt, dem die Zusammenarbeit mit Tech N9ne auf dessen Label spürbar gut tut. So dass man im Grunde genommen keine großartigen Schwachstellen aufzählen kann, allenfalls die äußerste Härte des Albums, die nicht jedem bekommen wird. Wem das nicht zu viel ist, der wartet bereits nach dem ersten Durchgang gespannt auf den hoffentlich genau so gelungen inszenierten Abschluss der Trilogy. Um den Pressetext frei zu übersetzen: Ein Album, dass dir die Luft nimmt und dich um Gnade winseln lässt. Packend.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Samstag, 14. Mai 2011

Friendly Fire - Part 3

Der dritte Part geht, wie bereits Part 2, an lowbudgit, der vor Kurzem Beat Nummer 3 ins Netz hinaus gehauen hat. Als großer Befürworter seiner Werke freut es mich ungemein, dass nun auch Außenstehende die Möglichkeit haben, in den Genuss seiner Beats zu kommen und möchte daher nun Platz machen für Runde 3:

Sonntag, 1. Mai 2011

Wiz Khalifa - Rolling Papers




Wiz Khalifa ist ein Rapper der Neuzeit, des Hier und Jetzt, einer, der zur neuen Generation von Künstlern gehört. Künstler, für die nicht etwa mehr Verkaufszahlen sprechen, sondern Fans und Follower auf Facebook/Twitter. Die nicht mehr den Anspruch haben, auf untergehenden Musiksendern zu laufen, sondern alleine mit ihrem YouTube-Account Millionen Zuschauer vor den PC locken. Der grimmig dreinschauende Drogenkurier mit Schussverletzung wich einem jungen, lebensfrohen Gegenpart, der sich längst nicht mehr auf die klassischen, dogmatischen Grenzen einer Musikrichtung limitieren möchte und diese gar nicht mehr so richtig wahrzunehmen scheint.

„Rolling Papers“ ist nun also ein aktuelles Album, das unter Umständen für eine ganze Herde weiterer Veröffentlichungen stehen kann. Es ist nicht auf Rap limitiert, wirkt weniger bösartig, vielmehr verspielt und wenig angestrengt. Keine Spur vom immensen Druck, dem man Wiz Khalifa nach seinem „Black And Yellow“-Erfolg durchaus auftragen hatte wollen. Alles wirkt strukturiert, aber nicht vorhersehbar. Fast so wie seine Kindheit, die ihn dank fürs Militär dienenden Eltern über den halben Erdball – unter anderem auch nach Deutschland – führte. Ist das hier also nun das „Illmatic“ der Neuzeit, ein neuer Meilenstein? Wohl kaum, lässt es die Schnelllebigkeit unserer Szenerie kaum mehr zu, etwas auch über einen längeren Zeitraum auf dem Radar zu behalten, zu gewaltig ist die Menge an Neuveröffentlichungen, die uns jeden Tag dank Internet erreichen.

Groß ist das alles aber dennoch. Vom in höhere Gefilde entrührenden „On My Level“ mit Urgestein Too $hort über den Hit „Black And Yellow“ bis hin zur Curren$y-Kollabo „Rooftops“ - nie hat man das Gefühl, hier etwas langweiliges vorgesetzt zu bekommen. Zurückgelehnte Reime auf melodischen Instrumentalen, die eingänig, aber nicht frei jedweder Innovation daher kommen und dazu ein Charakter, dem es allem Anschein nach nicht an Charisma mangelt und es versteht, die Menge in seinen Bann zu ziehen wie kaum ein anderer. Das macht er schon ganz gut und schießt nur selten übers Ziel hinaus (siehe das etwas befremdlich biedere „Top Floor“).

Thematisch darf man dabei zwar keine Großtaten erwarten, das tut dem Hörspaß bei Tracks wie „Roll Up“ oder „Wake Up“ keinen Abbruch. Als heimlicher Höhepunkt der Platte stellt sich dann gar „No Sleep“ heraus. Eine Hook, die sich in den Gehörgang brennt und ein Song, der leicht paradox zwischen den Adjektiven ‘entspannt’ und ‘partytauglich’ wandert. Besonders früh morgens um vier Uhr entfaltet diese Art von Song sein volles Potenzial und zeugt von Wiz Khalifas Fähigkeiten. Entsprechend bedarf es auch kaum Gäste, so dass neben den bereits erwähnten Too $hort und Curren$y lediglich Chevy Woods hinzustößt und die Gästeliste komplettiert.

„Rolling Papers“ ist Musik aus der Gegenwart für die Gegenwart. Was in naher Zukunft passiert, steht in den Sternen geschrieben, doch hier und heute wird man kaum einen Weg um Wiz Khalifa und sein vierzehn Stücke umfassendes Werk finden. So klingt Rap anno 2011 im Allgemeinen. Das muss einem nicht zwingend gefallen, gerade Freund gepflegter Nostalgie werden abwinken, sollte jedoch keinesfalls vom Hörversuch abhalten. Ein gutes Album, dass sich nun einzig und allein dem Zahn der Zeit erwehren muss.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de