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Mittwoch, 4. November 2009
Colos - Independent
Es gibt Rapper, die scheren sich nicht großartig um Inhalt, sondern sehen Rap als Wettbewerb. Statt Geschichten und Inhalt gibt es rohe verbale Gewalt und im besten Falle noch technische Zungenakrobatik, das war es dann aber auch schon. Auf Dauer ist das natürlich nicht das Wahre, wenngleich kurzfristig unterhaltsam, und so gibt es auch Rapper, die ihr Talent dazu nutzen, um mehr Gewicht in ihre Texte zu legen, Geschichte zu erzählen. Das führte natürlich unlängst zu Diskussionen über den Anteil echter Erlebnisse und wie viel von dem Gesagten frei erfunden ist. Jemand, der in diesem Kontext keinen Kommentar abzugeben brauch ist Colos, welcher Ende Oktober sein mittlerweile drittes Album „Independent“ über Mellowvibes Records veröffentlichte.
Geboren im einstigen Jugoslawien und kosovo-albanischen Wurzeln im Blut, zog es den heute in Berlin wohnhaften Colos zunächst als Kriegsflüchtling aus der Heimat hin nach Deutschland, ehe er mit 21 wieder zurück in den Kosovo musste. Achtzehn Monate später folgte die erneute Einreise in Deutschland, ein für ein Jahr gewährter Asylantrag und im Anschluss der illegale Aufenthalt, der erst Ende 2007 ein Ende fand, bis er 9 Monate später ein weiteres Mal in Deutschland einreiste. Soweit das bis dato Wichtigste von der Person Colos. Was seinen musikalischen Werdegang betrifft, erschien sein erstes Album „Honigblut“ anno 2006, welches bereits einige Ambitionen erkennen ließ. 2007 folgte „Leben im Exil“, das eine konsequente Weiterentwicklung wiederspiegelte und zu Recht auf jede Menge Gegenliebe von Presse und Hörerschaft empfang.
Nun also mit „Independent“ Paukenschlag Nummer drei. Wie schon bei seinen Vorgängerwerken, setzt Colos nicht auf plattgetretene Gangster-Plattitüden, sondern legt wert auf Erzählungen. Und wer obigen Lebenslauf kurz überfliegt wird sich eingestehen, dass dieser Mann definitiv mehr zu sagen hat als der Durchschnittsrapper, der außerhalb seiner Heimatstadt noch nicht allzu viel gesehen und außer ein paar Alkoholexzessen nicht allzu viel erlebt hat. Das Ganze stets hörerfreundlich auf Brecher-Beats verpackt und mit einem guten Schuss realitätsnaher Straßenverbundenheit vermengt. Wieso auch groß an einer bereits bewährten Formel herumdoktern?
Stillstand bekommt man auf den 15 Tracks von „Independent“ aber keinesfalls zu hören. So präsentiert sich der gereifte Rapper mittlerweile derart sicher und versiert hinter dem Mikrofon, dass es eine wahre Freude ist, den Reimen zu lauschen. Bereits der Opener „Wie ein Königreich“ lässt kaum Wünsche offen und verfügt über einen ansprechend gezimmerten Beat von 7inch, welcher im Laufe der folgenden Anspielpunkte noch des Öfteren für satte Instrumentals sorgt. Daneben besorgte Woroc ein paar wohlige Brecher und Sneezy durfte einmal ran, für das Hammer & Zirkel-Feature „Keine Zeit für Faxen“.
Auch was die Features angeht, darf ein Lob ausgesprochen werden. Ob das von starken Drums begleitete, stimmige „Wo soll es hinführen“ mit dem Echten Musiker Jonesmann, das atmosphärisch dichte „Der Teufel will mich holen“ mit Jeyz und Criz oder die stimmgewaltigen Gastbeiträge von Emine Bahar, die insgesamt drei Mal in Erscheinung tritt, sie machen ihre Sache gut und liefern gute Parts ab, die Colos unterhaltsam durch die Tracks begleiten. Dass er es aber auch alleine kann, beweisen dann noch Stücke wie „Und es geht wieder los“, dessen leicht hektischer Beat stark an die beiden UK-Boys Oxide & Neutrino erinnert.
Ohne „Independent“ himmelhoch loben zu wollen, muss man dennoch sagen, dass es mit zu den besseren Veröffentlichungen des Jahres zählt und beide Daumen nach oben zeigen. Der erste Daumen gilt Colos und seiner sauberen Art und Weise anspruchsvolle Themen verständlich vorzutragen, der andere den hochklassigen Instrumentalen, die ihren Dienst mehr als achtbar leisten und entscheidenden Anteil am Endprodukt haben. Starke Vorstellung.
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