Ein Blog für alle, die sich leidenschaftlich und ernsthaft mit Hip Hop im Allgemeinen und Rap im Speziellen auseinandersetzen.
Sonntag, 29. August 2010
Marteria - Zum Glück In Die Zukunft
Die Deutschrap-Geschichte der jüngeren Vergangenheit hat viele neue wie interessante Künstler hervorgebracht, Marten Laciny, besser bekannt wahlweise als Marteria oder das vom Helium beflügelte Wesen namens Marsimoto, ist einer davon. Nach dem zuletzt veröffentlichten „Zu Zweit Allein“ unter der Marsimoto-Persona, ist es laut bis hierhin gepflegter Regel Zeit für neues Material unter dem Namen Marteria. Dessen „Base Ventura“ liegt mittlerweile geschlagene drei Jahre zurück und angesichts dessen stellt sich die Frage, ob sich das Warten auf die neue Scheibe, welche im Titel auf die allseits bekannte Film-Trilogie mit Michael J. Fox anspielt, und den darauf enthaltenen zwölf Stücken auch gelohnt hat.
Führt man sich Interviews mit dem viel begabten Marteria zur Gemüte, so ist die nach heutigem Standard lange Durststrecke durchaus gewollt und zur Abwechslung weder auf Label-Differenzen noch kreativer Flaute zurückzuführen. Stattdessen hatte man nicht weniger im Sinn, als dem Album und den Stücken die nötige Zeit zu geben, die es brauch, um die gewünschte Qualität zu erlangen. Gemäß dem Motto, welches besagt, dass Rom ebenso wenig an einem Tag erbaut wurde. Besonderen Wert legte man auf das letztliche Sounderlebnis für den Hörer, so dass es vom Klang her schon einmal keinerlei Beanstandungen gibt. Was fett klingen sollte, klingt ebenso, der sauberen Arbeit beim Ausproduzieren sei Dank.
Zugleich zeugt solch ein Aufwand von einem gewissen Grad an Selbstvertrauen in die eigene Musik. In Zeiten, in denen sich Tonträger nur mehr schleppend verkaufen, ist längst nicht mehr jeder bereits, in derartige Details zu investieren, die in digitalen Zeiten nicht für jedermann eine Rolle spielen. Das geschulte und auf Qualität ausgerichtete Ohr erfreut sich dagegen von Beginn an. Der einleitende „Endboss“ wird so zugleich zum stramm vorangehenden, überaus elektronischen, Brett vor dem Herrn, während Marteria selbst vom Spiel des Lebens berichtet, Level für Level versteht sich, inklusive einem von mehreren kurzen Gastauftritten vom Alter Ego Marsimoto.
In der Folge beweist sich Marteria erneut als die wesentlich konventioneller zur Tat schreitende Seite des ehemals ambitionierten Fußballers. Zwar bewegt sich alles immer noch abseits der für gewöhnlich betrampelten Pfade, hat mit der allgemeinen Vorstellung von Rap aber immer noch mehr gemeinsam als die stellenweisen Absurditäten eines Marismotos. So wird aus dem Wortspiel „Amys Weinhaus“ ein Exempel für Marterias Künste als Texter und eine Kollabo mit Jan Delay für „Wie Mach Ich Dir Das Klar“ ein schönes Stück frei atmender Musik, die, konstant im Deutschrap verwurzelt, ungezwungen ins Ohr schallt.
Darüber hinaus gibt es mit „Louis“ ein dem Sohn gewidmetes Liedchen, welches entsprechend persönlicher ausfällt als das mächtig laut zu Werke gehende Ungetüm namens „Kate Moskau“, wenngleich bei letzterem Track die Energie in der Hook bis ins Mark übergeht und Freunde des gepflegt gerollten R’s voll auf ihre Kosten kommen. Neben erwähntem Jan Delay bestechen auch die übrigen Auftritte durch Qualität und erweitern das Album um weitere Facetten. Sowohl Miss Platnum als auch Peter Fox fügen ihre eigenen Noten bei, ohne die Fahrtrichtung vorzugeben und mit Casper bzw. Marsimoto wird mal eben köstlich über verbotene Dinge gesprochen, wobei nicht unbedingt auf die gewöhnlichsten Dinge Bezug genommen wird.
„Zum Glück In Die Zukunft“ ist der nächste logische Schritt in der Laufbahn Marterias und spielt sowohl vom produktionstechnischen Standpunkt betrachtet (ein Kompliment an dieser Stelle an The Krauts, welche sich für eben diese verantwortlich zeichneten) als auch aus Sicht der dargebotenen Performances in der obersten Liga mit. Vor allem aber wird dem Konsumenten erneut vor Augen geführt, welch weitreichenden Spielsaal mit der Aufschrift ‘Deutschrap’ er einst betreten und lieben gelernt hat. Nicht jedermanns Geschmack, aber wer mit Marteria allgemein etwas anfangen kann, bekommt eine bestens ausgefüllte Dreiviertelstunde fürs Geld.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de
Dexter & Maniac - Raw Shit
Wenn deutsche Reime auf englische Lines treffen, dann handelt es sich in der Regel um eines der seltenen Zusammentreffen von amerikanischen Rappern und nationalen Wortakrobaten. Nicht so im vorliegenden Falle. Dexter, der vor allem als geschmackssicherer Produzent auf sich aufmerksam machen konnte und sich hier auch als Rapper erweist, als auch dessen englischrappendes Pendant Maniac, kommen beide aus dem beschaulichen Regensburg und sind über die Booth hinaus befreundet. An mangelnder Sympathie füreinander mag vorliegendes Projekt daher schon mal nicht scheitern und auch die wohlbekannte Wortsport-Schmiede versprach bislang stets qualitativ Hochwertiges (man denke nur an die Freidenker und Fleisz).
Für „Raw Shit“ schraubte man achtzehn Anspielpunkte und sicherte sich Gastspiele von Keno, besser bekannt als Teil der Münchner Creme Fresh, und Jaques Shure, welchen man noch in bester Erinnerung vom Fleisz-Album hat. Als musikalischer Rahmen dient der sowohl von Dexter als auch Maniac bevorzugte Soundentwurf, der noch mehr mit Jazz gemein hat, als mit der Großraumdiscothek und das Gütesiegel BoomBap zurecht für sich beansprucht.Womit das zu erreichende Klientel auch gleich grob eingegrenzt wird. Von dieser Seite her also keine Überraschungen zu vermelden.
Auch die inhaltliche Komponente wird genährt mit dem schlichten, aber doch immer wieder herhaltenden, weil irgendwo doch Sinn machenden Thema HipHop – was auch sonst? Im Klartext heißt dies, dass die Kultur im Vordergrund steht und um kleine Ausflüge ins Grün bzw. in den Jazzclub ergänzt wird. Nicht wirklich innovativ, aber das möchte das Ganze vermutlich auch gar nicht sein. Stattdessen möchte man dem, nun ja, rohen Scheiß folgen und ebendies dem Konsumenten vorsetzen, was auch sehr gut gelungen ist. Kompromisslos, geradlinig und klar.
Die Vortragsweise der beiden Jungs bewegt sich im selben Milieu. Während man in Dexter stets mehr den Produzenten denn den Rapper sieht, schlicht weil die Talente ebendort vermehrt verteilt wurden, dabei aber dennoch ordentliches zu Stande bringt, ist Maniac durchaus sicher im Englischen unterwegs. Da machen sich die in den Staaten verbrachten Jahre bezahlt und umschiffen so die eingeprägte Vorstellung (die oft genug der Realität entspricht) vom amateurhaft vorangehenden Deutschen, der sich mit halbgarem Schulenglisch als Rapper versucht.
„Raw Shit“ ist ein Vergnügen für all jene, die auf Schnörkel und große Innovation verzichten können wenn nicht gar wollen. Während mancher Rap-Kollege mittlerweile ganze Orechster für die Instrumentalisierung beauftragt oder dem neuen Trend der Stunde hinterherrennt, konzentriert man sich hier aufs Wesentliche. So dass das Album letzten Endes im Rahmen seiner Möglichkeiten mit das Beste herausholt und zu überzeugen weiß, ohne für einen Sturm der Begeisterung zu sorgen. Spaß macht es aber allemal.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de
Sonntag, 22. August 2010
Capone N Noreaga - The War Report 2
Kaum einer konnte mit den letzten Solowürfen der beiden aus Queens stammenden Rapper Capone und Noreaga vollens zufrieden sein. Halbgare Reime, lieblose Hooks und 08/15-Instrumentals, wie man sie im Internet an jeder Ecke vorgesetzt bekommt. Und dennoch verbreitete sich nach der Ankündigung von “The War Report 2″ so etwas wie Neugierde und Spannung, handelt es sich bei “The War Report” um eines der signifikantesten Rap-Alben der Mittneunziger New Yorks. Und mit IceH20 um ein Label, dessen Chef Raekwon mit seiner Fortführung eines Klassikers beachtliche Resonanz erzeugen konnte. Hot oder Flop - darüber geben die hier versammelten fünfzehn Tracks auskunft.
Das Album beginnt mit “Pain” zunächst stark und verzichtet auf den überladenen Synthie-Ballast eines ‘Yes Sir’ und glänzt dafür mit einfacherem, funktionalerem Sound, der dem des ersten CNN-Albums deutlich näher kommt. Auch das vom für New York typische und gewohnt stoische Piano darf nicht fehlen und zusammen mit dem Trio The Lox gibt es auf “Bodega Stories” schönen Rap vom Big Apple auf die Ohren, wie man ihn nicht unbedingt erwartet hatte. Das Alles wird ergänzt durch das souveräne Auftreten von Capone und N.O.R.E., die mit ihren Stimmen wie gewohnt den Ton angeben.
Mit “Live On Live Long Part II” wird dann konkret an “The War Report” erinnert und man fühlt sich für einen Moment zurückversetzt in die Zeit, als der Charakter von Rap noch ein anderer war. Gleichzeitig atmet der Track jedoch genügend Luft der Gegenwart, so dass die Staubsicht gar nicht erst zum Landeanflug kommt. Passend dazu kommen Gäste hinzu, die damals wie heute aktiv sind und nichts von ihrer Präsenz eingebüßt haben. Busta Rhymes, Raekwon und Nas seien hier als die wohl klanghaftesten Namen unter ihnen genannt.
Den Hit der Platte liefert das Duo jedoch erst gegen Ende mit dem wunderbar aufsingenden Avery Storm. Das gemeinsam inszenierte “The Corner” ist ein mit Soul angereichertes Bankett für Freunde von ohrwurmverdächtigen Hooks und bietet genügend Potenzial, um auch als Single in Betracht gezogen zu werden. Bevor schließlich mit “Obituary”, zu deutsch ‘Todesanzeige’, das Album ein von Orgeln begleitetes Ende findet, das sich hören lassen kann und den guten Eindruck bis zum Schluss rettet.
“The War Report 2″ wird aller Vorausicht nach nicht den Status des Erstlings erreichen - was man aber fairerweise auch gar nicht verlangen möchte - spielt aber im Leben der beiden Akteure eine mitunter sehr bedeutsame Rolle, die für beide eine Rückkehr zur alten Stärke darstellt. So jedenfalls möchte man CNN künftig gerne wieder öfters hören, denn dieser Sound kann defintiv was. Sitzt, passt und hat Luft.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de
Sonntag, 8. August 2010
Necro - Die!
Einen Künstler wie Necro noch groß vorzustellen, würde wohl nicht allzu viel Sinn ergeben. Sein Debüt "I Need Drugs" liegt bereits ganze 10 Jahre zurück, weitere fünf Langspieler folgten und mit "Die!" erscheint nun bereits das sechste Album. Ganz nebenbei erschuff Necro in dieser Zeit die Form des 'Death Rap' und schuff eine eigene Nische im großen Rap-Dschungel. Folglich kennt man Necro. Wahlweise als unfassbar kompromisslosen und sich selbst treuen Sensenmann des Rap, der mit ordentlich schwarzem Humor, expliziten Gewaltfantasien und einem Hang zur Pornographie seit jeher sein eigenes Süppchen kocht. Oder als stupiden, um Aufmerksamkeit winselnder Verrückter mit ernsten psychischen Problemen, der seit Tag eins stets nur im Kreise rennt.
Während Letztere gar nicht weiterzulesen brauchen, sofern sie nicht eh schon beim Anblick der Rezension das Weite suchten, freuen sich Erstgenannte diebisch auf das erste Album seit geschlagenen drei Jahren. "Die!" ist bereits im Titel äußerst direkt, das Cover in typischer Necro-Tradition gehalten und die Titel, im Gegensatz zu "Death Rap", inzwischen wieder mehr Rap als alles andere. Am Inhalt der Titel hat sich dabei jedoch nichts geändert. Gewalt in allen erdenklichen Variationen, Krieg, der Tod als solches und natürlich auch alles rund ums horizontale Gewerbe bestimmen die textliche Richtung.
Klingt bestens bekannt, erzeugt aber beim Hören dennoch keine Spur von Langeweile. Wenn sich Necro etwa als "Thugcore Cowboy" auf einem Scott Walker-Sample präentiert, ist das mitunter unterhaltsamer als vieles, was man auf seinem letzten Werk zu Ohren bekam. Auch das wunderbar melodisch bis beschwingte "Set It" macht Spaß und überzeugt bereits während des ersten Hörgangs, so dass nach acht der insgesamt siebzehn Stücke ein überwiegend positiver Eindruck entsteht.
Zwar findet sich etwa mit "Hey No" auch der ein oder andere nicht ganz so markante Track wieder, der im kampf um die Rotationsanteile lediglich Außenseiterchancen besitzt. Eine von seichter Akkustikgitarre getragene "Asshole Anthem" macht dafür aber wieder alles wet, ehe im Anschluss mit "Viva Necro" zwar ein wenig innovatives, aber ungemein gut funktionierendes Loblied, eine Hymne, an sich selbst angestimmt wird. Den große Knall sparte sich der gute Mann dennoch für den Schluss auf, wenn mit "The Human Traffic King" fragwürdige zur Diskussion anregende Ansichten vom Stapel gelassen werden, wie man sie nur von Necro erwarten konnte.
In jedem Falle ist "Die!" eine überaus gelungene Sache geworden, die Necros Reputation nur zu gute kommen dürfte und neben treuen Fans auch den ein oder anderen Neuling erfreuen dürfte. Immer unter der Voraussetzung, man lässt sich von der direkten, tabulosen Gangart des in Brooklyn beheimtaten Necro nicht abschrecken. Denn vom musikalischen Standpunkt aus betrachtet, ist "Die!" wieder ein Schritt in die richtige Richtung, an die künftig gerne weiter angeknüpft werden kann.
Sonntag, 1. August 2010
Fleisz - Ist Zurück/War Niemals Da
Betrachtet man Rap nur Oberflächlich, möchte man meinen, es mangelt an kreativen wie hörenswerten Veröffentlichungen und das nicht erst seit gestern. Blickt man jedoch tiefer und erweitert das Blickfeld bestehend aus Azad, Bushido, sido und Co., wird man schon nach kurzer Zeit auf die vielseitigsten Künstler und Labels treffen. Eines dieser Labels dürfte Wortsport sein, welches mit den Freidenkern zuletzt ein äußerst gelungenes Album an den Mann brachte und nun mit Fleisz das nächste, ähnlich gelungene Album veröffentlichen möchte.
Fleisz selbst ist dabei kein Unbekannter mehr und hat neben seinem Debüt “Das muss doch Liebe sein” und einem Minialbum so manchen Samplerbeitrag abgegeben und auch durch Features und Auftritte auf sich aufmerksam gemacht. Nun folgt das Album “Ist Zurück / War Niemals Da” mit zwölf neuen Tracks und Features von Freidenker Heikouality, Jaques Shure und anderen. Ein Album weit weg von der sonst gewohnten Ego-Schiene und dem propagierten Materialismus. Man könnte auch sagen ein typischer Wortsport-Release.
Schon von Beginn an wird deutlich, dass es Fleisz nach wie vor versteht, reifen Inhalt in unterhaltsame Geschichten zu verpacken, die stets bodenständig genug ins Ohr gehen, als dass sich ein jeder sein eigenes Bild malen kann. “Teufelskreis” nimmt sich etwa lyrisch ansprechend dem Thema Sucht an und präsentiert es gleich in verschiedenen Formen, während Dexter, welcher sich für den überwiegenden Teil der Produktion verantwortlich zeichnet, die dazu passende Untermalung beisteuert.
Weitere Geschichten liefert der mit 24 Jahren immer noch junge Fleisz auch mit “Kleiner Junge”, “Wen Du Stolperst” mit dem hier auch als Produzent tätigen Heikouality und das mit Hilfe von Sabbah inszenierte “Leere Straßen”. Dabei werden nicht nur Eindrücke, Meinungen und Sichtweisen an den Hörer weitergegeben, sondern ein komplettes Bild, welches es dem Hörer erlaubt, besonders tief in die Tracks einzutauchen, während Fleisz einen stets auf diesen Reisen begleitet. Mit zwölf Stücken ist das Album am Ende auch in der Länge genau richtig, um den Konsumenten nich mit Inhalt zu überfordern, getreu dem Motto Qualität statt Quanität.
Vielleicht vermisst der ein oder andere auf Dauer die impulsiven, hervorstechenden Momente und sucht nach Ecken und Kanten. Wer ohne eben diese auskommt, bekommt mit “Ist Zurück / War Niemals Da” ein rundes Album, voll mit Geschichten aus dem Leben, vorgetragene von einem stimmlich angenehm eigenen Fleisz, dem das Reimen als Ausdrucksform hörbar viel Spaß macht. Was für die, die gerne mithören und nichts von Hintergrundbeschallung halten.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de
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