Mittwoch, 27. Juni 2012

KC Rebell - Rebellismuss (Review)



Nachdem der einstige Kollege PA Sports erst kürzlich mit seinem zweiten Album an den Start ging, folgte nun auch KC Rebell mit Album Nummer zwei, welches auf den Namen „Rebellismuss“ hört, siebzehn Stücke umfasst und den Essener weiter nach vorne bringen soll. Daher hat man sich entschlossen, auf Features größtenteils zu verzichten und KC alleine auf die Reise zu schicken. Dieser zählt selbstverständlich nicht zu den größten Reim-Jongleuren unserer Zeit, dennoch kommt über die gesamte Spielzeit hinweg nicht der Eindruck auf, etwas Monotones in den Händen zu halten. Dies liegt jedoch vor allem an der weitestgehend sehr soliden Instrumentalisierung, die nicht selten alles ist, was beim Hörer hängen bleibt. Denn hinsichtlich Flow, Reimen und Themen gibt es wohl kein unschlagbares Argument, das für „Rebellismuss“ sprechen könnte. Zwischen etlichen, einfach gehaltenen Representer- und Straßentracks tummeln sich die üblichen Stücke über Liebe sowie aufmunternde Balsam-Songs.
Wirklich nennenswerte Stücke finden sich hier selten. „Ein ganz normaler Tag“ ist vom Konzept her zwar sehr interessant (wenngleich nicht neu), doch scheitert er an der mittlerweile typischen Darstellung vom harten Alltag im ‘Ghetto’. Glaubhafter ist da schon „Meine Geschichte“ und das bereits im Vorfeld als Video ausgekoppelte, ehrlich wirkende „Rosen“. Nett auch „Weisse Fee“, welches mit doppeltem Boden versehen wohl das kreativste Stück Musik auf diesem Album darstellt. Zunächst als üblicher Track über die Liebe handelnd aufgebaut, erkennt man früher oder später die Doppeldeutigkeiten, die nicht etwa einer Frau gewidmet sind, sondern dem weißen Pulver, das man so oft schon mit Mehl verwechselt hat und so schon so manchen Kaffeekranz gesprengt hat. Soweit so gut, doch wer braucht bitte 2012 noch ein ganzes Lied, das nur aus Seitenhieben an die Konkurrenz besteht, wie es KC auf „Ich bin krank“ handhabt? Nun wirklich niemand und schon gar nicht auf einem Album. „Rebellismuss“ ist ein gut durchhörbares Album, in der Summe jedoch berechenbar und damit zu uninteressant, um längerfristig bei der Hörerschaft im Gespräch bzw. Gehör zu bleiben.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf BackSpin-Media.de

Montag, 25. Juni 2012

Far East Movement - Dirty Bass (Review)


Kaum ein Weg führte anno 2010 an „Like A G6“ vorbei, das irgendwo zwischen Rap, Electro und Dance wilderte und inzwischen wohl am Ehesten mit den Herren von LMFAO verglichen werden kann. Doch statt dickem Afro, gibt es beim Far East Movement mehr asiatische Einflüsse, zumindest hinsichtlich der Zusammensetzung des Quartetts. Denn aus musikalischer Sicht ist der auf ihrem mittlerweile vierten Studioalbum präsentierte Sound nach wie vor ein buntes Durcheinander, das vor allem für gute Laune sorgen und dabei für ein Lebensgefühl sprechen soll, dass die Jungs „Free Wired“ bezeichnen. Nun ist vorliegendes Album in seiner Machart durchaus berechen- wie vorhersehbar, gibt der Albumtitel die Marschrichtung doch bereits vor: „Dirty Bass“. Folglich gibt es auf den sechzehn Stücken vor allem eines reichlich – dicken Bass. Weshalb die Verwendung in Clubs wie auch im Auto vorbestimmt scheint.
Nüchtern betrachtet setzt sich das Album vor allem aus zwei wesentlichen Zutaten zusammen. Tanzbare, Stimmung machende und in aller Regel schnell gespielte Instrumentale, die nach vorne gehen. Sowie fast schon zur Nebensache werdender Gebabbel-Rap, bei dem Reime zwar durchaus zu Stande kommen, ein direktes Hinhören jedoch nun wirklich nicht von Nöten ist, wie auf dem auf dreckiger Bassline gesetzten Titeltrack. Aufgepeppt wird diese auf Dauer eintönige Angelegenheit durch eine Hand voll vergleichsweise ruhigerer Stücke („Flossy“, „Little Bird“) oder aber durch die mutige Gästeliste, auf der sich neben umtriebigen Popstars wie Pitbull und Adoleszent-Repräsentant Justin Bieber doch tatsächlich auch ein Deutscher geschlichen hat. Doch nicht etwa die Atzen sind es, sondern – Achtung, festhalten – Tokio Hotel-Frontmann Bill Kaulitz. Hätte man so nicht erwartet, klingt erfreulicherweise auch anders als der TH-Sound, hinterlässt dennoch einen komischen Nachgeschmack. Auch fragt man sich, weshalb das bereits auf dem Vorgängeralbum enthaltene, eingangs erwähnte, „Like A G6“ auch hier vertreten ist (selbiges gilt übrigens auch für „Rocketeer“). Wirklich erfreulich ist dann jedoch noch die Far East-Version von Gigi D’Agostinos „L’Amour Toujours“ auf „Fly With U“ und das Ohrwurm-artige „Lights Out (Go Crazy)“. „Dirty Bass“ ist ein kurzweiliges, knallend eingäniges Album ohne Tiefgang, welches als Soundtrack für den Sommer taugt, ohne restlich zu überzeugen.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf BackSpin-Media.de

Donnerstag, 21. Juni 2012

Jai spricht: Klartext

Wenn du dich dafür entscheidest, Rezensionen zu schreiben, dann rückst du mit dieser Entscheidung zwischen die Stühle, die da heißen "Hörerschaft" und "Künstler". Du solltest einerseits das Schaffen und Sein von Rappern akzeptieren wie honorieren, bei aller negativer Kritik, die du schreibst. Im selben Moment musst du jedoch auch aus der Sicht eines Hörers agieren. Nicht immer ganz einfach, weshalb man leicht dazu neigt, eine der Parteien bevorzugt zu behandeln. Möglicherweise vermittle ich beispielsweise des Öfteren den Eindruck, mehr zu den Künstlern zu stehen, da ich viel Kritik an der Hörerschaft ausübe. Wie ich finde, jedoch zu Recht. Aktuelles Beispiel:

Eine bekannte Internetplattform, die sich mit Rap auseinandersetzt und ein umfangreiches Forum anbietet. Unter anderem gibt es einen Thread, der es Usern erlaubt, ihre Plattensammlung zu präsentieren. Dies hat ein seit kurzem sammelnder User genutzt und seine noch recht überschaubare Liste veröffentlicht und wurde daraufhin von einer Vielzahl anderer User eben dafür belächelt und lächerlich gemacht. Weshalb? Nun, nicht etwa die Größe der Sammlung gab Anlass dazu, sondern die Tatsache, dass diese Sammlung vornehmlich aus bekannten Künstlern bestand und nicht etwa aus Untergrund-Künstlern. 

Anstelle dem jungen Mann Komplimente dafür zu machen, dass er sich anno 2012 noch die Mühe macht und hart erarbeitetes Geld in Platten investiert, gibt es Kritik für die Auswahl der Künstler. Es ist genau dieses Phänomen, welches ich bereits in einem veröffentlichten Leserbrief an die JUICE beschrieb. Ein Großteil der Rap-Hörer scheint vollkommen ignorant zu sein. Man macht sich über Menschen lustig, die nur Mainstream hören (der keinesfalls schlecht sein muss!) und hat keinerlei Verständnis für die ersten, nicht immer einfachen Schritte ins Game. Oder hat jeder von den heutigen (Möchtegern-)Heads gleich mit Untergrundplatten begonnen? Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen und auch meine Anfänge waren geprägt von Nelly, DMX, Xzibit und derlei Namen, die mit zu den ersten gehören, denen man, geht es um Rap, begegnet. Nur so war es mir möglich, allmählich über diese Künstler den Anschluss zu neuen Namen zu erhalten. 

Es sind eben diese Momente, in denen ich mich wahnsinnig für (den Großteil) der Hörerschaft von Rap schäme. Sie sind unvernünftig, uneinsichtig, egoistisch und ignorant. Und wäre das noch nicht schlimm genug, sind sie nicht einmal mehr in der Lage, ihre Meinung höflich und für alle verständlich aufzuzeigen, nein, sie schmettern diese nur so hin, ohne Rücksicht auf andere, die Rechtschreibung oder sonst etwas. Es muss gleich verbal in den Angriff gehen. Getreu dem Motto "meine Rap-Helden geben auch direkt in die Fresse, so mach ich das jetzt auch". 

Schwach ist sowas, einfach nur schwach. Von volljährigen, reifen Hörern erwarte ich einfach mehr. Zeigt Verständnis für andere, die eben erst zur Musik gestoßen sind. Lasst sie teilhaben an dem, was ihr aufgebaut habt und unterstützt sie. Und akzeptiert verdammt nochmal, dass es auch Menschen gibt, denen gefällt, was die großen, bekannten Namen so abgeben. Was spricht bitte dagegen, wenn man Geschmack findet an Bushido? Schließt dies automatisch aus, dass andere Kaliber eines Cr7z oder Fage MC ebenfalls den jeweiligen Geschmack treffen können? Ich denke nicht. Zumindest nicht in meinen Augen.

Wir alle schreien immer nach Akzeptanz, Toleranz und das man uns Rap-Hörer endlich ernst nimmt, uns nicht immer nur als übergroße Klamotten tragende, im Sprachgebrauch eingeschränkte Idioten, die nur auf Stress aus sind. Aber wenn wir es nicht einmal auf die Reihe bekommen, uns untereinander mit Respekt zu begegnen, wie sollen wir da erwarten, dass dies nach außen hin funktioniert? Wacht endlich auf und helft dabei mit, den Ruf von Rap zu bessern, indem ihr selbst mit bestem Beispiel voraus geht.

Montag, 18. Juni 2012

Manuellsen - M.Bilal Souledition (Review)



Man attestierst Rappern gerne mal, sie seien nicht wirklich musikalisch und im eigentlichen Sinne ja auch gar keine richtigen Musiker. Seit einer Weile schon beweisen uns eine Hand voll Rapper jedoch das Gegenteil, indem sie sich, neben dem aneinanderreihen von Reimen, auch auf dem Gebiet Gesang mehr oder weniger erfolgreich versuchen. Allen voran seien hier Jonesmann und Manuellsen genannt, letzterer veröffentlichte dieser Tage gar mit der Souledition seines Albums „M.Bilal“ einen Langspieler voller Gesangseinlagen und lässt die Rolle des Rappers seinen Gästen (u. a. MoTrip und Nazar), die so noch einen Hauch Rap mit ins Spiel bringen, neben den Produktionen von Juhdee und Kollegen, die hörbar nah am Rap-Geschehen angesiedelt worden sind mit knackigen Drums und genug Bass, um auch im Auto zu funktionieren.
Der Ruhrpottler versucht demnach auf vorliegendem Album einen Seiltanz zwischen den Genres mit Fokus auf die Sparte Soul bzw. wohl eher RnB. Kein leichtes Unterfangen, wie bereits der Beginn mehr oder weniger eindrucksvoll beweist. So ist „Messerstich“ alles andere als ein üblicher Titel für ein Soul-Stück und wirkt folglich in der Umsetzung leicht halbgar, wie auch das verzichtbare weil durchschnittliche Rap-Feature von Vlacho. Besser macht es da Nazar auf dem direkt folgenden „Fliegen“. Zwar wirkt hier alles zunächst etwas überladen, mit der Zeit findet man jedoch Gefallen am schönen Beat und dem Ohrwurm-Potential des Refrains.
Richtig unglücklich präsentiert sich der Pottweiler dann jedoch im Zusammenspiel mit MoTrip auf „Giftig“. Ein reichlich auf Rap getrimmter Beat lässt Manuellschen ordentlich schwimmen, der in der Folge so klingt, als habe er mit dem Instrumental zu kämpfen, während Trip das Ganze mit seinen Reimen weitaus besser macht und das große Debakel verhindert. Auch im weiteren Verlauf des Albums gelangt man an Stellen, die den Eindruck erwecken, es mangelte an Erfahrung als Sänger und Texter (siehe die leicht nervige Hook von „Sternstaub“).
Es gibt glücklicherweise auch Momente, die allen Bedenken bezüglich der Sangeskünste von Manuellsen vergessen lassen. Die Single „Farben“ etwa, die alles richtig macht, was man nur richtig machen kann und das an US-amerikanische Vorbilder erinnernde, auf clubbig getrimmte „Yeahiyeah“, das schnell ins Ohr geht und Platz macht für einen gut funktionierenden, bewegenden Beat, der in Mark und Bein geht. Bedrohlich gut auch Animus auf „Versteck dich“, einem der wenigen dunklen Songs des Albums, dessen Szenario sehr gut funktioniert.
Alles in allem ist die „M.Bilal Souledition“ eine kleine Enttäuschung. Nicht etwa, weil der Rap zu kurz kommt – dies war schließlich zu erwarten. Sondern hängt zum einen mit der für RnB/Soul nicht unüblichen Themenarmut zusammen (fast immer geht es um Liebe und die Huldigung der Frau), zum anderen an der Tatsache, dass zu oft zu viel auf das fast schon vergessene Autotune zurückgegriffen wurde, was dem Album einen unerfreulichen Hauch von T-Pain einhaucht, was Manuellsen bei bestem Willen nicht nötig hat. Lässt man diesen Effekt künftig weg, pickt sich ausschließlich gut besingbare Stücke und erörtert vielseitigere Themen, darf jedoch gerne auch in Zukunft – zumindest kurzzeitig – die Goldkette gegen den Schal getauscht werden. So jedoch etwas zu vorhersehbar und wenig beeindruckend. Schade.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Mittwoch, 13. Juni 2012

Ercandize - Uppercut (Review)



Wie kann man eine an sich recht konsumschwache Hörerschaft dieser Tage noch dazu bewegen, sich ein Album zu kaufen? Entweder man entscheidet sich für ein konsequent durchdachtes Konzeptalbum, man setzt auf allerhand namhafte Features oder man limitiert das ganze mehr oder weniger streng. Für Letzteres entschied sich Ercandize, der für sein ‘Comeback’ eine Limited Edition anbietet, die diesen Titel auch zu recht trägt und auf 1000 Exemplare beschränkt ist, während musikalisch bewusst die einfache Schiene gefahren wird, getreu dem Motto ‘in your face’. Zusätzlich zu den elf Stücken, die „Uppercut“ im Wesentlichen ausmachen, enthält die Limited Edition ein auf der Bonus-CD geparktes Mixtape, ein Booklet mit sämtlichen Texten sowie einem T-Shirt. Nicht gänzlich neu, dennoch eine schöne Sache, die jedoch nicht über die überschaubare Spielzeit der eigentlichen CD hinwegtäuschen mag, die mit Amar und Kool Savas lediglich zwei Gastauftritte beherbergt.
Geradlinig wie der Jab eines Boxers kommt Ercandize auf opulenten Instrumentalen daher und verteilt lyrische Schläge gegen alles und jeden. Kein thematischer Tiefgang, keine detaillierte Gesellschaftskritik. Stattdessen gibt es Battle-Tracks und direkte Hiebe ins Gesicht, ohne Umschückung und Verzierung, roh und ungeschnitten. Dass dabei keine Langeweile aufkommt, ist den durchweg sehr satten und energischen Soundgerüsten (u.a. von Monroe und den Beathoavenz) zu verdanken, als auch Ercs beeindruckenden Fähigkeiten in Puncto Technik und Flow. Es hat schon etwas eindrucksvolles, wenn Line für Line fast schon mühelos aneinander reimt wird und selbst mit dem stets großartig agierenden Kool Savas mitgehalten werden kann. „Uppercut“ ist bei bestem Willen kein Werk für die Ewigkeit, aber ein in seiner Machart angenehm simples, funktionierendes Stück Musik und ein konsequent qualitativ ansprechender Neustart für den „Ivan Drago des Raps“.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf BackSpin-Media.de

Dienstag, 12. Juni 2012

Im Gespräch: Fage MC (+ Gewinnspiel!)


Erst kürzlich war an dieser Stelle die Review zu seinem beeindruckenden Debüt "Verderb und Gedeih" zu lesen, nun steht er uns Rede und Antwort: Fage MC, ein Name, den man künftig auf dem Zettel haben sollte, geht es um die Zukunft von deutschem Sprechgesang. Resurrection of Rap bekam die Gelegenheit und hakte nach. Über den Künstler selbst, seine Songs und die Hintergründe, Gewalt in Songtexten und was wir in der Zukunft noch so alles von ihm erwarten können. Obendrauf gibt es das Album "Verderb und Gedeih" zwei Mal zu gewinnen - nähere Infos am Ende des Interviews.


Zunächst die obligatorische Vorstellung für die, die dich noch nicht kennen: Wer ist Fage MC und was gibt es über ihn zu wissen?

Fage MC ist ein neuer Rapper aus Tübingen, dessen Name man sich einprägen sollte. Ich mache Musik, die den belohnt, der sich darauf einlässt. Kurz gesagt: Tiefsinnigen Rap und Storytelling auf melodischen Instrumentalen. Mehr erfahrt ihr auf http://fagemc.de!



„Verderb und Gedeih“ ist der Titel deines Debüts. Wie lange hast du daran gearbeitet und was steckt hinter dem Titel?

Diese machtvollen Worte sind der Redewendung „Auf Gedeih und Verderb“ entlehnt. Mit ihr beschäftigt sich auch das gleichnamige Lied, welches das Gefühl beschreibt rückhaltlos alles in die Konsequenz einer Entscheidung zu investieren. Die anderen Lieder interpretieren jedes für sich unterschiedliche Perspektiven der facettenreichen Gegensätze „Verderb und Gedeih“. Tod, Leben, Düsternis, Licht, Verzweiflung und Hoffnung. Die Texte sind mit vielen anderen im Zeitraum von etwa zwei Jahren entstanden. Der Aufnahmeprozess ging aber recht schnell über die Bühne.



Das Album wurde von Frank Zumbroich produziert, der wiederum als Rock-Produzent gehandelt wird. Woher kam diese zunächst ungewöhnlich wirkende Entscheidung?

Er ist einfach ein genialer Schlagzeuger und Musikproduzent und hat auch schon in vielen erfolgreichen Bands gespielt. Ich bin der erste Rapper mit dem er zusammenarbeitet und das ist auf jeden Fall eine Ehre für mich. Es war von dem her keine Entscheidung für einen Rock-Produzenten, sondern eine Entscheidung für gute Musik!



Einer der herausragendsten Songs ist „Schwerelos“, in dem du von unglaublich leidvollen Bedingungen sprichst, unter denen nicht wenige Kinder dieser Erde zu leben haben. Welche Reaktionen seitens der Hörer erhoffst du dir durch solch ein Stück?

Ich habe es zunächst vor allem für mich geschrieben, um selbst Eindrücke zu verarbeiten, die ich bei meinen Sozialprojekten in Nicaragua gesammelt habe, einem der ärmsten Länder der Erde. Genauso will ich aber auch den Hörer treffen, weshalb ich gerade diese beiden drastisch-plastischen Geschichten für die Strophen ausgewählt habe. Dass „die Kinder in Afrika“ Hunger leiden ist sozusagen floskelhaftes, abstraktes Begleitwissen eines jeden Deutschen und lässt ihn eher kalt. Tatsächlich die konkrete, beinahe unvorstellbare Fürchterlichkeit bestimmter Einzelschicksale vor Augen geführt zu bekommen, berührt den ein oder anderen vielleicht aber doch.


Auch „Verdammte Tür“ bleibt bereits nach dem ersten Hören im Gedächtnis und berichtet vom plötzlichen alleine sein. Wie viel eigene Erfahrungen packst du in deine Texte?

Kein Song kann mich ganz abbilden, aber in jedem steckt ein Fragment meiner Erfahrungen oder Gedankenwelt. Dennoch muss man immer differenzieren zwischen mir als Privatperson, dem Künstler Fage MC und dem lyrischen Ich in einem Lied. Diese drei können auseinanderfallen, wenn ich z.B. aus der Ich-Perspektive wie ein Romanautor eine Geschichte erzähle, die nicht von meiner Person handelt. Warum viele der Meinung sind, man darf nur über sich selbst rappen begreife ich dagegen gar nicht. Ich würde mich nie sinnlos thematisch derart einengen lassen. Ich schreibe über das, was mich beschäftigt. Und ich beschäftige mich nicht nur mit mir selbst.



Das Öffnen der Büchse der Pandora brachte, laut griechischer Mythologie, alles Schlechte über die Welt. Erzähle uns doch bitte etwas zu der Entstehung des Liedes und wie die Zusammenarbeit mit der Nu Metal-Band nulldB zu Stande kam.

Die erste Strophe dieses Liedes schrieb ich unter Tränen, im Bewusstsein der Schlechtigkeit der Menschheit. Darin wird nicht abschließend mein Menschenbild dargelegt, das natürlich nicht so schlecht ist, wie im Song beschrieben. Ich verarbeitete vielmehr verschiedene Fragen, die ich mir schon lange stellte: Wie zum Beispiel die nettesten Familienväter im Krieg schon am ersten Tag an der Front eiskalte Gräueltaten begehen können und wie leicht es geschieht, dass man bösartig oder schlecht handelt. „Was macht die Unschuld zur Hure? Was Liebe zur Perversion? Gibt es im Hirn einen Schalter für den Freitod der Emotion?“ 

NulldB sind eine coole aufstrebende Metal-Band und haben vor kurzem den deutschen Rockpreis gewonnen. Sie arbeiten mit dem gleichen Produzenten zusammen und als ich anfragte ob sie Lust auf ein genreübergreifendes Feature, waren sie sofort dabei. Es ist das erste Feature, das sie überhaupt gemacht haben, darauf bin ich natürlich stolz. Ihr genialer Gitarrist Frank Kühnlein spielte übrigens auch alle Gitarren für mein Album ein.





Beeindruckend auch „Bestie“, das mahnend an Peiniger geht und von einem inneren Ungeheuer in jedermann spricht, welches eines Tages zum Vorschein kommen mag. Fühlst auch du hin und wieder diese 'Bestie' in dir?

Ja, sicher. Vor allem als Jugendlicher spürte ich oft einen unbändigen Zorn in mir. Letztlich erzählt der Song aber metaphorisch von einem potentiellen Amokläufer. Vielleicht wächst ihm beim nächsten Mal kein zweites paar Arme aus dem Rücken, wie im Song, aber er besorgt sich halt eine Knarre.


Deine Texte sind vielseitig, Hinhören wird immer mit tollen Aussagen belohnt. Wie sehr fühlst du dich deinen Hörern gegenüber in der Verantwortung, ein geeignetes Vorbild abzugeben?

Eigentlich gar nicht. Wenn ich Lust darauf hätte, würde ich auch sofort einen miesen Battle-Track schreiben, wie früher. Das reizt mich aber gar nicht mehr. Zudem wird meine Musik wohl auch vor allem von Erwachsenen gehört, sehr viele davon sind älter als ich. Ich denke die brauchen dann auch selten ein umfassendes Vorbild.


Was hält jemand wie du von Gewalt verherrlichenden  Texten, von Angeberei mit Straftaten und erfundenen Gangster-Geschichten? Was hört Fage MC privat gerne und vor allem warum?

An Rap habe ich immer die sprachlichen Ausdrücksmöglichkeiten und die Textdichte geschätzt, mit der man mehr Inhalt und Geschichten transportieren kann, als in jeder anderen Musikrichtung.  Aus diesem Grund mag ich anspruchsvolle Rap-Lyrik von Donato über Inflabluntahz zu Absztrakkt. Früher habe ich auch gerne Curse und Torch gehört, aber auch viel Azad, Savas, Tone und andere. Ich will halt immer einen spannenden Inhalt. Deswegen können mich die endlos gleichen lahmen Battletracks und Asphaltgeschichten der Streetrapper auch nicht begeistern.


Gibt es Künstler in Deutschland, mit denen du eines Tages sehr gerne zusammen arbeiten würdest?

Curse vielleicht, weil er als einziger medienrelevanter Rapper ein paar wirklich tiefsinnige Tracks hatte. Es gibt eigentlich niemand dessen Feature mir einen Traum erfüllen würde, aber ich freue mich über jede Zusammenarbeit mit Rappern, die ich schätze, und ich freue mich, wenn mir gestandene Persönlichkeiten Respekt entgegen bringen.


Wie geht es weiter mit dir? Was ist geplant, wann kann man dich live erleben?

Ich plane eine Band zusammenzustellen und eine geile Live-Show auszuarbeiten, die sich ein wenig von den langweiligen Standardauftritten vieler Rapper abhebt. In Zukunft werde ich auf jeden Fall vermehrt Live spielen. Aktuelle Infos gibt es auf http://fagemc.de.


Ich danke für deine Zeit und die Beantwortung der Fragen und übergebe noch ein letztes Mal an dich, um ein paar letzte Worte an die Menschen da draußen zu richten.

Wir sind das Licht der Welt, sind das Salz der Erde! Setz‘ die Segel gegen Gegenwind, Gedeih gegen Verderben!


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VERLOSUNG

Resurrection of Rap verlost gemeinsam mit Fage MC zwei Exemplare seines Debüts "Verderb und Gedeih". Was ihr dafür tun müsst? Ganz einfach:


  1. Falls ihr es noch nicht seid, werdet Fan von 'Resurrection of Rap' -> HIER
  2. Teilt den zu diesem Interview gehörenden Post
  3. Gewinnt mit etwas Glück eines von zwei Alben
Ende der Verlosung ist der 20. Juni!




Montag, 11. Juni 2012

Akua Naru - Live & Aflame Sessions (Review)



Es geht zu den schönsten Momenten eines Rezensenten, wenn da ein Album auf dem Schreibtisch liegt, auf Besprechung wartend, zu dem man bereits im Vorfeld etwas schreiben möchte, sich ausmalt, in welche Richtung es gehen wird, um dann beim letztlichen Hören zu erkennen, dass man gründlich falsch gelegen hat mit seiner Voreinschätzung. Geschehen ist dies jüngst bei Akua Naru, jener US-amerikanischen Rapperin, die zu Beginn des Jahres 2011 ihr Debüt „The Journey Aflame“ veröffentlichte und nun mit der Live-Version und erweiterten Interpretationen Dank der hierfür hinzugezogenen DIGFLO Band ein neues Eisen im Feuer hat. Nun sind Live-Alben im Rap-Genre nicht unbedingt das, was man als unabkömmlich bezeichnen wurde. Nicht selten stellt sich bei Live-Aufnahmen heraus, dass die Stimme/Lunge nicht ganz so strapazierbar ist, als im heimischen Studio und die Klangqualität rutscht nur allzu gerne in ein schwer hörbares Niveau herab, das Hörvergnügen schlicht unmöglich macht.
Akua Narua gelingt es jedoch, mit ihrem Album einen wunderbaren Schnitt zu machen, der sowohl Freunde von live eingespielter Musik als auch Studio-Liebhaber begeistern kann. Schon das erste von zehn Stücken ist der Soundtrack zum gemütlichen Abendessen und plätschert ruhig und beseelt geradezu wohltuend ins Ohr. Das wunderschöne „Take A Ride“ zwingt dem Hörer dank erlesener Cuts ein breites Grinsen auf und „The Backflip Reflipped“ ist munter und beschwingt, wie die Flora und Fauna dieser Tage. Ergänzt werden die tollen Melodien durch detailreiche, schöne Texte, die ein Zuhören zur Pflicht machen und wenn zusätzlich die von Drea D’Nur gesungenen Parts auf „Walking The Block“ und „This Mo(u)rning“ hinzukommen, schwebt man als Hörer in höheren Sphären. „Live & Aflame Sessions“ ist ein feines Stück Musik, das sich Soul, Jazz und Rap gleichermaßen bedient und kaum Wünsche offen lässt.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf BackSpin-Media.de

Dienstag, 5. Juni 2012

Komekaté - Gekommen um zu fressen EP (Review)



Gekommen um zu Fressen – das ist doch mal eine ordentliche Kampfansage vom Kölner Künstlerkollektiv Komekaté, das mit ihrer elf Stücke umfassenden EP an den Start geht und auf abwechslungsreiche Musik durch gerappte Beiträge auf Deutsch wie Französisch, aber auch Gesangparts setzt. Klingt super, ist im vorliegenden Falle jedoch nur bedingt positiv zu werten, was bereits nach dem sehr ordentlichen wie aggressiven Einstand „Heuschrecken“ deutlich wird: die gesungenen Parts wirken noch etwas hölzern, trotz reichlich Potential in der Stimme. Die deutschen Rap-Parts fallen nicht weniger steif und krampfhaft aus, so dass der Eindruck entsteht, auch dank der an Klischees erinnernden Stimmlagen von Benyo Hussain, Fly und Pers Bear, es mit Möchtegern-Prahlern zutun zu haben. Lediglich der französisch rappende Black Fire geht ohne große Beanstandung ins Ohr, wenngleich hier natürlich auch die sprachlichen Grenzen ein nachvollziehen der Texte sehr schwer macht.
Thematisch erinnert die EP an eine musikalische Bewerbungsmappe. Hier ein, zwei geradlinige Representer, da zwei auf Tiefsinn gepolte Stücke, Reminszensen an amerikanische Vorbilder und etwas Sozialkritik muss noch mit rein. Das wäre per se überhaupt nichts schlechtes, hätte man das Ganze etwas mehr gemischt und nicht etwa Deepes auf Deepes folgen lassen. Hinzu kommen Fehler im Grundaufbau. Der auf sozialer Kritik beruhende Titel „Deutschland“ beispielsweise entpuppt sich als blutleere Anhäufung von oberflächlichen Aussagen, die allesamt ohne Hand und Fuß dargebracht werden und die Ernsthaftigkeit vermissen lassen. Da können auch die Instrumentale (eine Produktion stammt gar vom renommierten Benny Blanco) nicht mehr viel helfen, die zumeist gut aber unspektakulär das Geschehen begleiten. „Gekommen um zu Fressen“ scheitert in der Folge vor allem am insgesamt zu harmlosen Geschehen, das im Mittelmaß der Dinge versinkt und schließlich untergeht.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf BackSpin-Media.de

Montag, 4. Juni 2012

Fage MC - Verderb & Gedeih (Review)



„Und das ist harter Stoff, komprimiertes Nervengift! Danach reibt eure Augen, weil die ganze Welt in Scherben liegt!“ rappt Fage MC und hat mit dieser Aussage gar nicht mal so Unrecht. Denn selten zuvor hörte man ein Album eines bis dahin eher als Geheimtipp gehandelten Künstler und war von Grund auf begeistert, wie es bei „Verderb und Gedeih“ der Fall war bzw. ist. Mit dem gesetzten Ziel, die Hörer mit Tiefsinn wie Emotionen gleichermaßen zu erreichen, macht sich der gebürtige Tübinger auf zwölf Tracks ans Werk, um so manchem seiner rappenden Kollegen vor zumachen, wie guter Rap zu klingen hat und verzichtet über die gesamte Spieldauer auf Fehltritte, präsentiert sich stattdessen sicher und selbstbewusst mit seiner Musik.
Wer bei tiefsinnigem Sprechgesang nun an träge vor sich hin plätschernde Instrumentale denkt, vorgetragen von einem Kerl, der sich anhört, als sei die Karriere als Therapeut bereits vorprogrammiert, der irrt hier jedoch gewaltig. Kaum ein Song ist ruhig und besinnlich, bereits der Beginn mit „Tage des Donners“ energisch auf treibendem Beat, der sofort mitreißt. Und statt betuchter Vortragsweise a la Referatarbeit, spuckt Fage MC nicht selten brachial und stets im Takt die Reime, die von dessen charismatischer Stimme profitieren und ein Gesamtpaket schnüren, das ohne Übertreibung zum Besten gehört, was man dieser Tage so auf die Ohren bekommt.
Mal großartig auf dem melancholisch betitelten, unerwartet mitreißenden „Schwarz-Malerei“, im nächsten Moment der begnadete Geschichtenerzähler auf dem tragischen „Schwerelos“, nur um wenig später schon wieder die perfekte Schnittstelle zwischen Rock und Rap mit „Historymaker“ zu ergründen und dabei, fast schon selbstverständlich, geschichtliches Interesse durchblicken lässt und sich Gedanken machte über das, was war und das was sein wird. Einzig die „Büchse der Pandora“ dürfte dem ein oder anderen Scheuklappenträger etwas zu rockig sein, um sofort auf den Track anzuspringen.
Weiterhin beachtlich auch der kurze Ausflug zum Poetry Slam für die pessimistische „Wahrheit“. Ja selbst ein Stück über die vergangene/vorhandene Liebschaft („Verdammte Tür“ bzw. „Sterben für Dich“ artet bei Fage MC nicht in Trübsal aus, sondern wirkt wie die besonnene Auseinandersetzung und Verarbeitung von teils möglicherweise gar selbst erlebten Dingen. Man könnte noch so viel erzählen, nahezu jeder Song wäre eine Erwähnung wert und würde die insgesamt wirklich herausragende Leistung des hier präsentierten korrekt wiedergeben. Zwölf Stücke und kein einziger Aussetzer, das nennt man qualitativ hochwertig.
Es mag wie eine überspitzte Lobrede an einen sympathischen, aufstrebenden Namen wirken, ist jedoch angesichts einer Veröffentlichung wie „Verderb und Gedeih“ keinesfalls aus der Luft gegriffen. Die Texte sind, getreu der eingangs erwähnten Zielsetzung, inhaltlich ansprechend und sorgen für Freude am Hinhören, die Produktionen sind allesamt passend wie unterhaltsam und auf einem Qualitätsstandard, wie man ihn so im Vorfeld mitunter nicht erwartet hätte. Und die Länge vom Album ist mit zwölf Liedern geradezu einladend, um es binnen kürzester Zeit mehrmals in der Anlage laufen zu lassen. Ich denke, man kann hier von einem der besten Veröffentlichungen des erstens Halbjahres sprechen und einen heißen Anwärter auf eine Platzierung in der jeweiligen persönlichen Liste der musikalischen Höhepunkte zum Ende des Jahres hin. Ganz groß.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Sonntag, 3. Juni 2012

Freidenker - Randale und Liebe (Kurzreview)



Da sind sie wieder, die Freidenker. Nach ihrem überaus positiv aufgenommenen Album „und dann kamen die Touristen“, ist mit „Randale und Liebe“ nun ein neuer Langspieler am Start, der mit interessanter Cover-Gestaltung ins Auge sticht und musikalisch zunächst durch eine Neuinterpretation von „Blinded By The Light“, nur dass die Raps hier ein wenig neben dem Beat sind. In der Folge gibt es einige Stücke, die das Prädikat 'schön' tragen, unter anderem der simple Kopfnicker „Im Sog“, „90-60-90“, „Er & Ich“ oder das aufmunternd positiv gestimmte „Es wird geschehen“. Im Vergleich zum Vorgänger wirkt hier jedoch alles weniger ausgereift. Zum einen fehlen klare Highlights, die im Ohr hängen bleiben und einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Zum anderen finden sich immer wieder Makel, die das Gesamtbild eines ansonsten überaus ordentlichen Songs ein wenig zerstören (ausbaufähige Hook, erzwungene Reime,...). Kein wirkliches Muss, dieses Album, aber zumindest guter Durchschnitt.