Sonntag, 27. Juni 2010

DWEL - Megaherz




Der Sommer fiel in diesem Jahr bislang eher spärlich aus und trotz grau bewölktem Himmel, schwankenden Temperaturen sowie reichlich Niederschläge bleibt die Hoffnung auf einen am Ende doch halbwegs schönen Sommer. Und spätestens dann sollte man sich mit vorliegendem Album des aus Hamburg zu uns sprechenden DWEL, kurz für ‚der wohl ehrlichste Lügner‘, beschäftigen. Nicht erst seit gestern im Spiel, manch einer erinnert sich etwa an den Track „Genug“ auf dem Raportaz Family-Album „Unter Wert“, liefert dieser zwölf gute Gründe ab, die mehr für den Sommer sprechen als der derzeitige Blick aus dem Fenster.

Man stelle sich also nun folgendes Szenario vor: Es ist ein sommerlicher Nachmittag und die Sonne sendet ein ganzes Dutzend ihrer wärmenden Strahlen Richtung Erde. Abends steht gemeinschaftliches Grillen an und nachdem man sich bereits in ein vorzeigbares Outfit gezwängt hat, bleibt noch einige Zeit über, das Wetter zu genießen und die Gedanken schweifen zu lassen. Auf der Suche nach der passenden musikalischen Untermalung stößt man auf „Megaherz“ und legt das Album in die heimische Anlage ein und sofort strömt ein Fluss aus organisch produzierter Rapmusik aus den Boxen, wie man sie von einst noch kennt.

„Live Dabei“ ist einer dieser Tracks. Einer dieser herrlich unkomplizierten Stücke, die einen sofort in die richtige Stimmung versetzen, so dass man sich nach wenigen Strophen bereits wünscht, das Ganze live unter freiem Himmel miterleben zu können. Wohingegen die „Gardinenpredigt“ und „Vier Wände“ mehr in die Kerbe von Storytellern schlagen, dabei aber stets erdig instrumentalisiert sind und Platz für DWEL und seine Texte bieten, die mehr als solide ins Ohr gehen und zu erkennen geben, dass dahinter langjährige Erfahrung steckt.

Des Weiteren bekommt man während der gesamten Spielzeit stets den Eindruck vermittelt, es mit einem von Grund auf angenehmen Zeitgenossen zutun zu haben, der sich auch einfach mal über ein Wiedersehen mit seinem alten „Homie“ freuen kann. Mit „Mind, Body Und Soul“ ein bisschen Liebe verbreitet. Und überhaupt, wer darüber hinaus von der Rose aus Beton und Rosa Parks spricht, der muss jede Menge Liebe für Hip Hop und insbesondere Rap übrig haben, keine Frage.

Womit der rote Faden des Albums ausfindig gemacht wurde, der neben dem zeitlosen und an die gute (alte) Zeit erinnernden Sound die zentrale Basis bildet. Ausrutscher wurden konsequent vermieden, so dass man sich den Druck der Skip-Taste guten Gewissens ersparen kann. So wirkt das Alles stimmig und unaufgeregt, wie eben jener eingangs erwähnte Sommertag, den man des Öfteren so schmerzlich vermisst.

Ein Album wie eine gute Tasse Kaffee, um auch den Brückenschlag zum Cover herzustellen. Man weiß was man bekommt; ein bewährtes Grundrezept, welches sich über die Jahre hinweg bewährt hat. In Verbindung mit einem redseligen Künstler, der seine Inspirationen und Einflüsse gekonnt in seiner Musik verbaut und damit ein angenehmes Stück Deutschrap schafft. Für das man gerne mal die sonst vorherrschenden Synthesizer-Gewitter links liegen lässt. Entspannt wie ein Tag in der Sonne.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Team Avantgarde - Paradox




Die Avantgarde, oder auch Vorhut genannt, ist beim Militär ein vorausgehender Trupp, der der Aufklärung dient und als solcher vor allen anderen auf Feindbewegung trifft. Getreu dieser Mentalität schreitet auch das Duo bestehend aus Phase und Zenit voran und ist dem Standard im deutschen Hip Hop stets um eine Nasenlänge voraus. Ein bisschen verworrener und abseits der Asphalt-Massaker, mit kreativem Denken gesegnet und dem nötigen Schuss an Experimentierfreudigkeit, die dieses Team eben ein kleines bisschen anders wirken lassen als den nächsten Punchline-Gott aus dem 5000-Seelendorf von nebenan. Mit dem sechzehn Stücke umfassenden „Paradox“, welches über die Qualitätsinstitution Edit Entertainment erscheint, geht die Geschichte der Berliner Jungs im Jahre 2010 weiter.

Bereits „Absolut“ aus dem Jahre 2007 kam außerordentlich gut bei der breiten und offengesinnten Hörerschaft an und wer bereits damals an der frischen Luft schnupperte, die vom Team Avantgarde versprüht wurde, der kann sich in etwa ausmalen was ihn erwartet. Alle anderen wird auf dem anfänglichen Titeltrack vor Augen geführt, wohin die Reise geht und ob man gewillt ist, den musikalischen Freigeist des Albums in sich aufzunehmen, oder eben nicht.

Unentschlossenen kann man als Hilfestellung „Deinen Namen“ vorspielen lassen. Einen Track, den man so wohl auch der Liebsten vorspielen könnte, spiele sich nicht in der Vergangenheit. Oder man hat ein offenes Ohr für Gris und dessen Mitspiel auf „Guck Mein Drumset!“, zu welchem selbst die werte Mutti mit dem Bein zuckt und für welches in der Tat ganz erlesene Drums ausgepackt wurden. Spätestens nun sollte man sein Kreuz gemacht haben.

„30m²“ ist dann nämlich bereits einer der größten Stücke des Albums und erhält in der Wertung ein einfaches wie ehrwürdiges ‚Top‘ – Zenit produziert den maßgeschneiderten Track und Phase füllt diesen mit seiner wiedererkennbaren Stimme geradezu perfekt aus, eine wahre Glanzleistung. Nicht weniger gelungen auch das abwechslungsreiche „Geträumt – Aufgewacht“ und nicht zuletzt das mit Achtziger-Drums versehene und Erinnerungen weckende „Wunderbare Jahre“. Womit man bereits eine ganze Hand voll überdurchschnittlicher Stücke beisammen hätte.

Hinzu kommen schlüssige Features von Label-Kollegen wie Amewu, Gris oder Wakka sowie Justus und Boba Fettt, die dem eigentlichen Sinn von Gastbeiträgen, ein Album durch ihre Präsenz hinsichtlich Abwechslung und Unterhaltung zu erweitern, nachgehen. Ganz ohne den Fokus dabei von Team Avantgarde auf die Gäste zu legen, so dass stets klar ist, auf wessen Album man sich befindet. Was bei manch von Features überfluteten Album/Mixtape ja schon mal in Vergessenheit geraten kann.

So aber bekommt der Käufer ein unkonventionelles, erfrischendes Album vorgesetzt, das mit seinem Grundtenor zwischen Depression und Aufbruch steht und dies im finalen „Tod – Leben“ symptomatisch wiederspiegelt. Feiert man entweder von Beginn an hart oder mit jedem Hördurchgang mehr und mehr. In jedem Falle ein echter Gewinn. Für die Künstler selbst. Für den Hörer. Und für die gesamte Szene. Demnach: „Paradox“ der Albumtitel, stimmig das Endergebnis.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Montag, 21. Juni 2010

Eminem - Recovery




Halbzeit im Jahr 2010 und es wird mal wieder nur allzu deutlich: bei all dem Fanatismus um Lil Wayne in den letzten Jahren und dem fast schon übertriebenen Hype um Drake, der wahre König der Massen kommt noch immer aus Detroit, Michigan. Wenn Marshall Mathers veröffentlicht, dann schenkt ihm die mediale Welt die vollste Aufmerksamkeit. Monate im Voraus wird über mögliche Gastspiele und Produzentenbeiträge spekuliert, Suchmaschinen laufen heiß und jeder wartet sehnsüchtig auf die Antwort zur Frage, was Eminem denn dieses Mal nur wieder alles aus seinem Hütchen zaubert.

Nach „Relapse“, dem Rückfall, nun als „Recovery“, die Genesung. Sechzehn Stücke, die im Gegensatz zum Vorgänger auch Produzenten beherbergen, die außerhalb des bekannten Shady-Umfelds kommen wie etwa Just Blaze oder Jim Jonsin. Dazu wenige, aber umso namhaftere Gastbeiträge, die mit Ausnahme von Lil Wayne wenig mit Rap zutun haben als vielmehr mit, man darf es ruhig aussprechen, Pop. Da sich jedoch auch Em gerne in den Chartgefilden einnistet, wirken die Beiträge von Pink und Rihanna fast schon weniger überraschend, als man es im ersten Moment vermuten mag.

Überraschender ist da schon der Beginn des Albums in Form von „Cold Wind Blows“. Ohne großes Drumherum bekommt man einen Just Blaze-Beat der besseren Sorte hin geklatscht und bewundert Eminem bei seiner fünfminütigen Performance, die, gespickt von allerlei Schimpfwörtern, angemessen auf das im Anschluss folgende einstimmt. Beispielsweise das von Mr. Porter in Szene gesetzte „On Fire“, einer bloßen Zurschaustellung von Herrn Mathers absurden Können hinterm Mikrofon, bei der auch eine Brooke Hogan einen kleinen Seitenhieb einzustecken hat.

Gemeinsam mit Pink wird anschließend in gut viereinhalb Minuten mehr Energie frei, als auf so manchem Konkurrenzalbum, so dass der Titel „Won’t Back Down“ angesichts der bissigen Lines durchaus Sinn macht. Weniger Sinn, dafür aber Spaß, macht „W.T.P.“, wenn zur White Trash Party geladen wird, bei der der ‚Stephon Marbury of Rap‘ besonders intensiv auf die Ladies eingeht und auf Seiten der Hörer für Lacher sorgt. Typisch Shady, wenn man so will. „Not Afraid“ wiederum bedarf aufgrund des Erfolges und mächtigen Airplays keinen großen Umschreibungen: So klingt erfolgreicher und ganz nebenbei noch gut gemachter/gerappter Sprechgesang.

Unkonventionell erneut Just Blaze, der sich nach „Dragostea Din Tei“ das nächste mutige Experiment vorgenommen hat und für „No Love“ mal eben Haddaways „What Is Love“ zu einem reichlich interessanten Beat umgerüstet hat, wenngleich der Crime Mob dies bereits drei Jahre zuvor vormachte. Hinzu kommt Lil Wayne und fertig ist der von der Machart her mutigste Track des Albums, der erfrischend anders ins Ohr geht. Der gute Dr. Dre bleibt derweil in gewohnten Gefilden und liefert mit „So Bad“ einen Brecher klassischer Bauart – nicht selten, aber schön.

„Recovery“ ist das, was sich so manch einer nach „Relapse“ erhofft haben wird. Eine stellenweise Abkehr vom Gewohnten, die bereits durch das Hinzuführen weiter Produzenten herbeigerufen erreicht wird. Mit einem Eminem, der sich mit jedem Stück hörbar Mühe gegeben hat und verstärkt ernste Lines hat einfließen lassen, ohne den Spaß gänzlich auf der Strecke zu lassen. Features, die harmonieren (selbst Rihanna weiß zu gefallen), musikalische Vielfalt wohin man blickt und über alledem der Wortschwall von einem der größten Rapper der Geschichte. Rap-Herz, was möchtest du mehr? Genesung vollendet.
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Samstag, 19. Juni 2010

Olli Banjo - Kopfdisco




Er gehört ohne Zweifel zur absoluten Speerspitze der deutschsprachigen Rap-Künstlern und haut mit einer fast schon unheimlich scheinenden Kontinuität Jahr für Jahr auf Silberlinge gebannten Wahnsinn in Reimform raus. Nach dem Kollabo-Album mit Jonesmann im vergangenem Jahr, bekam man dieses Jahr vor allem auf Kool Savas‘ „John Bello Story III“ eine kleine Portion vom fürs Rapvolk so nahrhaften Potpourri aus perversen Zungentechniken, einer unglaublichen Präsenz am Mic und nicht zu vergessen die Wortspiele. Diese scheinen zum Teil aus einem Hirn zu entspringen, das sich das Beste eines Goethe und einem „Fear & Loathing In Las Vegas“ bedient. Kurzum ist Banjo stets großes Kino. Ganz besonders natürlich, wenn es in Albumlänge an Werk geht, wie mit „Kopfdisco“.

Neunzehn Stücke umfassend, bekommt der Hörer allerlei auf die Ohren, was auch nach dem Hören im Gedächtnis bleibt. Zunächst wäre die bloße Zurschaustellung Olli Banjos Können Kernthema. Dieses steckt in jeder Zeile des Openers „Szenecountdown“ und wabbert ordentlich darauf los. Dass dies noch längst nicht alles ist und die Latte noch weitaus höher gelegt werden kann, beweisen „Randale In Der Sonderschule“ und „Ich Bin Ein Rapper“. Ersteres darf man gerne als kleinen Tadel an die Jungspunde da draußen sehen, wohingegen sich Banjo auf „Ich Bin Ein Rapper“ der allgemeinen Spezies Rapper annimmt und das bestehende Bild aufs Genaueste seziert.

Bereits hier darf das ein oder andere Mal gelacht werden, besonders weil es Olli Banjo gelingt, auf mehreren Ebenen gleichzeitig zu agieren. Ähnlich wie ein Blumio, kann man die Stücke als das nehmen was sie sind und sich daran erfreuen. Oder aber die Lines genauer betrachten, um in den gesamten Fokus des Wahnsinns zu kommen. Bei allem Spaß fügen sich dennoch auch feinnervige Stücke wieder. „Lichtplanet“ beispielsweise, auf welchem ein bedrückendes Bild gezeichnet wird. Lustige Punchlines, bildliche Sprache, wilde Klopperei, sexuelle Extreme – der Banjo weiß halt einfach in allen Disziplinen zu glänzen.

In der Schule würde ihn dies zum Streber und somit Feind der übrigen, leistungsschwächeren Mitschüler machen. Rap ist jedoch längst kein Klassenzimmer mehr. Auch wird wohl selbst dem neidvollsten Kollegen das Lachen packen, wenn für „Quando“ Fergie mit so viel Stil in die Ecke getreten wird, dass man dabei sein möchte, wenn diese Bombe live vollends zündet. Nicht genug? Dann sei einem „Vom Anderen Planet“ ans Herz gelegt. Was als textlich stimmige Einleitung eines Horrorstreifens beginnt, wird zum Scary Movie der Rapwelt. Da wird die außerirdische Freundin, nachdem diese die Liquidierung Banjos plant, galant in die Schranken verwiesen: “Wie willst du mich töten, ohne dir selbst in den Fuß zu schießen? Du kannst nicht mal einparken - und du willst ‘n UFO fliegen?”.

Man könnte zu nahezu jedem Stück von „Kopfdisco“ mehr als einen Satz verlieren, so einzigartig sind diese. Besonders dank der innovativen und alles andere als alltäglichen Themen, die behandelt werden („Fotografieren“). Dazu kommen zwar lediglich zwei Gäste, die jedoch ebenfalls bleibenden Eindruck hinterlassen. Während die Chemie zwischen Savas und Banjo in der Vergangenheit bereits thematisiert wurde, ist es vor allem Xavier Naidoo, der sich ungewöhnlich dunkel und vor allem als Teilzeit-Rapper zur erkennen gibt. Weshalb „Mein Weltbild“ künftig in keiner Best-Of-Liste beider Künstler fehlen sollte.

Natürlich kann man nun argumentieren, hier überschwänglich lobende Worte zu lesen, die fernab aller realen Erfahrungen liegen. Fakt ist jedoch, dass in der Tat Track für Track eine kleine Tür geöffnet wird, man eintritt und in dem folgenden Raum neugierig dreinblickend verweilt, ehe man in die nächste Türe geschickt wird. Kopfkino nennt man dieses Phänomen gerne mal. Bei Olli Banjo heißt dies, dank der zum Teil wieder gewohnt brachialischen Synthiebretter zutreffend, „Kopfdisco“. Ein Album, das sich aufmacht, um auch in einigen Jahren noch gefeiert zu werden. Ein moderner Klassiker? Man möchte nicht verneinen.
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Herr von Grau - Revue




Das Musikbusiness wird, wie jedes andere Business auch, überwiegend von einer Hand voll Stereotypen besiedelt, welche zumeist kaum großartige Differenzen untereinander ausmachen und irgendwo in eine recht ähnliche Richtung lenken. Nur selten tummelt sich dazwischen etwas Exotisches, das sich nur allzu schwer kategorisieren lässt und mit seiner eigenen Note für die nötige Prise an Abwechslung und Vielfalt im Reich der Reime und Pointen sorgt. Umso erfreulicher ist es demnach, wenn man auf solche Überraschungen trifft, die den gewohnten Gang etwas auf Trab bringen. Womit wir bei Benny und Kraatz aka Herr von Grau wären.

Nach dem vielgelobten „Heldenplätze“ folgt nun eine neunzehn Stücke umfassende „Revue“, die hinsichtlich der Qualität an den Vorgänger anknüpfen möchte. Und mit dem künstlerisch durchaus ansehnlichen Artwork gelingt dies auch auf den ersten Blick hin, was jedoch noch keinerlei Aufschluss über die musikalischen Vorzüge des Albums gibt. Dafür bedarf es zunächst einem aufmerksamen Hördurchlauf, an dessen Ende man, so viel sei an dieser Stelle bereits verraten, überrascht ist.

Zunächst bildet der titelgebende Track das erste Ausrufezeichen. Eine musikalische Rundschau, die vortrefflich das ewige Auf und Ab eines jeden Menschen thematisiert und den so schwierigen Mittelweg aus Höhen und Tiefen sucht. Bereits hier verschmilzt die grandiose weil warme Instrumentalisierung mit der charakteristischen und gut wiedererkennbaren Stimme von Benny. Kalte Synthie-Gewitter sucht man hier bisweilen vergeblich und wer diese erwartet, ist hier ohnehin leicht fehl am Platze.

Weiter geht es mit der kritischen Abrechnung mit Herrn Westerwelle auf dem deutlich betitelten „Guido“. Was man vorschnell als schlichten Diss-Track bezeichnen könnte, zeugt lediglich davon, dass Bennys Gedanken und Interessen weit über das begrenzte Standardrepertoire des Blockchefs hinaus gehen. In Blüm‘scher ‚Spaß muss sein‘-Attitüde darf jedoch auch des Öfteren geschmunzelt bis gelacht werden. Klasse ist so etwa „Dicht“, dessen Unterhaltungswert auch mit erhöhter Rotation nicht wesentlich schwindet und die, den Track „Egoflash“ einleitende, Werbemaßnahme für „Egocreme“ mit der ‚Geiz ist geil‘-Stimme bekannt aus dem Fernsehen.

Im weiteren Verlauf frönt man dem „Beischlaf“ und gibt sich ganz dem ein oder anderen „Gehirnfurz“ hin, ehe man schließlich mit „Maskenball“ das nahende Ende einläutet. Nicht ohne die Erkenntnis der immer wieder auflauernden (Ent-)Täuschung mitzunehmen, getragen auf einem grandiosen Beatteppich, der seinen Teil zur allgemeinen Begeisterung beiträgt. Melancholisch bis nennen wir es minimalistisch optimistisch schließt das Album dann ab und verabschiedet sich würdig und lockt geradezu zum erneuten Hören.

Herr von Grau ist eine Ausnahmeerscheinung und untermaut dies mit „Revue“ noch einmal aufs Deutlichste. Der Sound knackig, die Reime fesselnd und gehaltvoll, greift man besonders gerne zu Herr von Grau, wenn es wieder einmal nach guten, bodenständigen deutschen Rap dürstet, der sich seine Inspiration im Alltag holt und weniger in übertriebenen Gewaltvorstellungen schwelgt. Ein Album, welches die Genießer anspricht und idealerweise als geschlossenes Ganzes konsumiert wird. Sättigend.
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Donnerstag, 17. Juni 2010

Drake - Thank Me Later




Da ist es nun endlich, nach langem Warten. Das Debüt des derzeit wohl gefragtesten Kanadiers, der quasi über Nacht seinen Status als rappender Schauspieler abwarf und in eine Liga mit den Eminems und Lil Waynes dieser Welt gesteckt wurde. Dass ist dann selbst in der schnelllebigen Zeit von heute rasant und ließ Zweifel aufkommen, ob der junge Drake der enormen Erwartungshaltung standhalten könne. Mit vorliegenden 15 Tracks bekommen Kritiker wie Fans nun die ausführliche Antwort serviert, die Aufschluss über den derzeitigen Star der Szene geben soll. „Thank Me Later“? Wir werden sehen, wie groß der Dank letztlich ausfallen wird.

Man kann nicht genau sagen was es ist, das Drake zum scheinbar allgegenwärtigen Star und Frauenschwarm macht. Die nach außen stets gewahrte Lässigkeit, die Bodenständigkeit, die bei der Ausstrahlung anfängt und bei ganzen zwei Dankesseiten im Booklet des Albums aufhört? Alles gut möglich. Oder aber schlicht die Tatsache, das Drake verdammt talentiert ist. Nach dem reduzierten Opener „Fireworks“ neigt man zumindest zu letzteres, füllt Drake die großzügig gestaltete Struktur des Beats mit beachtlicher Leichtigkeit und bannt den Hörer an sich.

Neben dem Rappen versteht es Drake jedoch ebenso, die eine oder andere RnB-Fußnote in seine Stücke mit einzubauen, auf welcher er zumeist eine ebenso gute Figur abgibt wie beim Reimen. Die Kreuzung aus beidem bekommt man daher auf dem extrem entspannt daherkommenden „Karaoke“. Zudem findet sich mit „Up All Night“ eine kleine Überraschung auf dem Album, denn selbst die sonst gerne fehl am Platz wirkende Nicki Minaj mag nicht störend auffallen, wenn gemeinsam ein bestens abgestimmtes Instrumental bearbeitet wird. Wenngleich inhaltlich wenig Großes vom Stapel gelassen wird. Dafür eben schlichte Unterhaltung.

Ein gutes Händchen für Features beweist man erneut mit dem direkt folgenden „Fancy“ mit T.I. und Swizz Beatz, vor allem aber mit Young Jeezy, der mit seiner Performance auf „Unforgettable“ heiß macht auf Neues vom Schneemann. Ja selbst der zuletzt in Kritik geratene Lil Wayne pusht sich im Schatten von Jay-Z, welcher auf „Light Up“ zu hören ist, mit seinem Beitrag zu „Miss Me“ in solidere Gefilde, ehe, dem Ende nahend, noch der im Ohr hängen bleibende Hit „Find Your Love“ ertönt und so langsam aber sicher die Lichter ausgehen.

Der kann schon was, der Junge. Sehr viel sogar. Und mit „Thank Me Later“ gelingt ihm sogar, sein Potenzial auf gute bis sehr gute Art und Weise auf Albumlänge auszuspielen. Hin und wieder meint man zwar, es mit einer Lil Wayne-Kopie zutun zu haben (siehe Hook von „Over“). Auch spürt man, dass da noch lange nicht das gesamte Pulver verschossen wurde. Dennoch geht „Thank Me Later“ klar und ein erster Dank geht raus in Richtung Toronto. Einer von sicherlich noch vielen weiteren. „Thank Me Now“? Erledigt.
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Sonntag, 13. Juni 2010

V.A. - Feel The Streets




„Feel The Streets – The Real Masters Of Hip Hop“ ist ein zwei CDs umfassender Sampler, der sich mit seinen insgesamt 39 Tracks anschickt, den eher negativ behafteten Ruf von Rap-Samplern in ein besseres Licht zu rücken. Weg von der bloßen Aneinanderreihung von bekannten Stücken und Künstlern, hin zu einem vollwertigen Produkt, das sich vornehmlich durch geschmackssichere Auswahl der Titel auszeichnet, als durch ziehende Nummer-Eins-Hits. Ein stimmiger Mix aus neu und alt, eine kulturelle Rundreise an die musikalischen Pilgerorte dieser Welt mit Abstechern zum aktuellen Geschehen. Das möchte „Feel The Streets“ vermitteln.

Nun liegt zwischen dem was man möchte und man tatsächlich bekommt bisweilen ein maßgeblicher Unterschied. Die ersten Anspielpunkte machen in Form von „Full Clip“, „Shook Ones Part II“ und „Nas Is Like“ jedoch einen zufriedenstellenden Eindruck. Dieser wird weiter bestärkt durch bestens bekannte Klassiker von Xzibit, Camp Lo, Big L, De La Soul und weiteren namhaften Akteuren. So dass man nach abschließendem „Step Into A World“ vom Preacher KRS-One Höchstselbst von einer souveränen Veranstaltung auf CD 1 sprechen kann.

Die zweite CD knüpft genau dort an und pumpt zunächst das nach wie vor ansteckende „Hip Hop“ von Dead Prez nach draußen, gefolgt von Busta Rhymes, Outkast, den Wu-Tanglern und Rakim. Ein Bild, das bis zur Hälfte der CD bestehen bleibt und im Großen und Ganzen keinen Grund für böswillige Kritik bietet, wenngleich Überraschungen freilich ausbleiben und der persönliche Lieblingstrack auf der Strecke bleibt, was angesichts eines Samplers jedoch in Kauf genommen werden muss.

Hälfte Zwei setzt sich dann auch verstärkt mit der jüngeren Geschichte von Rap auseinander und zieht neben Dizzee Rascals „Dance Wiv Me“ auch geschmacksfragen wie „Feel It“ von Tiesto und Three 6 Mafia oder „Right Round“ von Flo Rida aus dem Hut. Dazu das unlängst satt gehörte „Day N Night“ vom Cudi und den Crookers, Pitbull und mittendrin, als kleine Überraschung, The Clipse mit „Grindin‘“. Hier darf man jedoch T-Pain ein kleines Lob aussprechen, der nicht nur unter Beweis stellt, dass er der einzig legitime Auto-Tuneler ist, sondern mit „Take Your Shirt Off“ immer noch so einiges bewegt – die richtige Stimmung vorausgesetzt.

In der Summe macht das dann ¾ klassische Tracks, die getrost ein solides Resümee rechtfertigen und ¼ neueres Material, mit welchem sich nicht jeder anfreunden kann. Womit „Feel The Streets“ ein ordentlicher Sampler wird für all jene, die nicht bereits im Besitz der Albumversionen der Stücke sind. Und damit doch zumindest über das gewohnte Sampler-Niveau hinaus überzeugen kann. Ganz zu schweigen vom beiliegendem KICKZ-Gutschein, der einem die Mehrwertsteuer schenkt.
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Die Firma - Das Sechste Kapitel




Es zeugt von außergewöhnlicher Reife und Abgeklärtheit, wenn man in der heutigen, absatzschwachen Zeit mit dem produktionstechnisch wie auch finanziell zehrenden Konzept auftritt, sein Album von vorne bis hinten mit Hilfe eines ganzen Orchesters einzuspielen. Auf der anderen Seite verwundert es wiederum kaum, wenn alte Hasen wie die Firma es im deutschen Rap sind, mit Album Nummer Sechs keine Lust mehr hatten, Altes zu wiederholen und neue Wege zu gehen. Und wieso eigentlich kein Orchester, bewiesen doch etwa die australischen MCs aus den Hilltop Hoods, wie gut Rap mit großen Ensamble funktionieren kann.

Ein Konzept, welches auch im Falle der Firma vortrefflich funktioniert und mit „Stille“ einen ungewohnt ruhigen, aber durchdringenden Track vorausschickt, der den Hörer fokussieren soll. Schließlich soll man den ganzen Aufwand, der dahinter steckt, schlussendlich doch bitte auch würdig genießen. Dies geht besonders gut, wenn auf den gerne kritisierten ernsten Ton verzichtet wird und sich an den schönen Dingen im Leben erfreut („Jetzt“, „Sonnenbrille“). „Realität“ sprießt vor Energie geradezu aus dem Boden und steckt den Hörer an.

Neben dem sehr gut in Szene gesetzten Orchester ist es vor allem wieder einmal Tatwaffe, der mit seinen Texten immer noch genügend Ansprüche stellt und bei der üblichen Gesprächsrunde über gute bis sehr gute Reimekünstler gerne unterschlagen wird. Doch auch Def Benski übt sein Amt alles andere als schlecht aus, weshalb Die Firma in vorliegender Form, etwa auf „First Class“ und „Elefant“, ähnlich mitreißend ins Ohr geht, wie Peter Fox gut zwei Jahre zuvor.

Das eigentliche Juwel und Highlight der Platte befindet sich dann aber erst ganz hinten in der Liste: „Schlaf“. Selten zuvor wurde das Thema Tod im deutschen Hip Hop derart gekonnt in musikalischen Formen gebracht. Da vergisst man selbst das direkt zuvor gehörte Feature von Mindens Finest Curse, der auf „Ich Brauch Keinen“ einen kleinen Gastauftritt zum Besten gibt. Dabei belässt man es dann in der Firma jedoch bereits und besinnt sich auf die eigenen Stärken, ein Trio samt orchestraler Begleitung ist schließlich bereits genügend Beteiligung.

Wieso „Das Sechste Kapitel“ dennoch nicht vollends durch die Decke geht, ist der zwar vorhandene rote Faden, der einen totalen Ausfall erfolgreich verhinderte. Die wirklich herausragenden Stücke sind im Laufe der neunzehn Stücke dennoch etwas zu rar gesät. Dennoch alles andere als ein Flop und aufgrund des erfrischend anderen Konzepts für den ein oder anderen Durchlauf gut.
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Samstag, 12. Juni 2010

Jai spricht: über Deutschrap-Hörer in der Krise!

VORSICHT! Beim Lesen dieses Textes kann es vorkommen, dass sich ab und an ironische Kommentare wiederfinden, die keinesfalls böse gemeint sind.
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"Deutscher Rap steckt in der Krise!" - wie oft hat man diesen Satz in den vergangenen Jahren hören bzw. noch wesentlich öfter lesen müssen? An jeder Ecke fanden sich der eigenen Aussage nach ausgewiesene Experten, die das Schwinden von Qualität innerhalb des deutschsprachigen Raumes prophezeiten, ja gar schon fast proklamiert. Zwar nahm man, zumindest ich, diese Meinungen zuletzt weniger häufig wahr, dennoch fühle ich mich jetzt im Moment dazu berufen, wieder mal meinen Senf dazu zu geben. Und ich behaupte Mitte Juni 2010: Der Deutschrap-Hörer steckt in der Krise!

Ganz recht, richtig gelesen. Wer (leidenschaftlicher) Hörer von deutschsprachigem Rap ist, der dürfte dieser Tage durchaus mit dunkler Miene durchs Leben schreiten. Von Sorgen geplagt und im Kopfe ständig der Überlegung beschäftigt, wie das Alles denn nur weitergehen soll, bleibt es beim gegenwärtigen Status. Er kämpft, um es überspitzt auszudrücken, um seine künftige Existenz und um sein Fortbestehen im großen Vergnügungspark der Reime und Wortspiele. Soll es das etwa schon gewesen sein?

Der Grunde allen Übels? Nicht etwa der (Werte-)Verfall der aktiven Mitglieder oder ein bundesweites Gesetz, dass sämtlichen hörenswerten Rap verbietet (alleine diese Überlegung schon entspringt der reinsten Utopie.) Nein, ganz anders. Der Grund bzw. die Gründe sind die Veröffentlichungen der vergangen Wochen und Monaten. Waren diese durchweg unter den Erwartungen und drängen dem Hörer suizidgefährende Gedanken auf? Nicht doch! Ganz im Gegenteil. Es ist die überaus hohe Qualität, die dieser Tage auf den Markt geworfen wird und den Konsumenten fast schon erdrückt.

Von einem Qualitätsverlust kann in dieser Hinsicht keine Rede sein. Wohin man blickt, es blüht und gedeiht an jeder Ecke. So dass selbst mir, der schnell und viel konsumiert, um nicht zu sagen konsumieren muss, und somit den ein oder anderen Release unmittelbar nach Veröffentlichung wieder aus dem Gedächtnis verdrängt - unbeabsichtigt versteht sich - auf Anhieb fünf hochklassige Alben der jüngeren Zeit aufzählen kann. Was ich jedoch nicht tun werde, da zu manchem Album erst noch die passende Review folgen wird und ich nicht gleich die Spannung vorweg nehmen möchte. Einen Spannungsbogen aufbauen - so nannte man das im Deutschunterricht meines Wissens nach immer.

Was daran nun derartig schlimm sein soll? Nun, ich gehe davon aus, dass ein halbwegs anständiger Charakter nach wie vor bereit ist, für seinen 'Stoff' zu bezahlen. Ob für digitale Downloads auf iTunes und dergleichen oder ganz klassisch im Plattenladen. Nun sind Alben, das werden selbst rege Käufer bestätigen, nicht gerade billig. Gehen wir von einem durchschnittlichen Preis von runden 15 Euro pro Album aus und berücksichtigen dabei, dass ein Album pro Monat für den Head längst nicht genügt. Hinzu kommt der Umstand, dass die Löhne in der Regel nicht steigen, bei zum Teil stetig wachsenden Lebenshaltungskosten.

Fertig ist die Formel/Wurzel allen Übels. Und am Ende derer steht ein ärmlicher Mensch, der fast schon ungläubig in sein Portemonnaie blickt und auf ein tiefes Loch stößt. Die Tränensäcke sind bis aufs Äußerste gefüllt und es gibt kein Halten mehr, die Wassermassen schießen über die Wangen. Wie ein Kind, dass sich im Spielzeugladen umsieht, alles haben möchte, aber nichts respektive nur einen Bruchteil dessen bekommt. Mit dem entscheidenden Unterschied, das...es tut mir Leid, mir will keine Differenz in den Kopf kommen.

Was sich liest wie eine übertrieben schwarz gemalte Karikatur des Bösen, könnte schon bald Alltag in deutschen Läden mit CD-Abteilungen sein. Doch was tun? Sich wünschen, dass wir wieder zur altbekannten Jammer-Schiene springen? Dass wieder mehr Schund veröffentlicht wird und weniger Qualität, damit man sich diese dann immerhin auch leisten kann? Eher nicht, ist der Umstand fehlenden Geldes doch noch lange nicht das Ende. Man denke an Peter Zwegat, der einen jeden von uns auch aus den tiefsten Finanzlöchern und engsten Ranken der Gläubiger befreien kann, wenn er denn möchte. Oder an Griechenland.

Dienstag, 8. Juni 2010

Sinuhe - Mescalin




Schwer talentierter, engagiert bei der Sache, mit Lob von Seiten der noch überschaubaren Hörerschaft geradezu überhäuft und dennoch bis heute mehr der Geheimtipp, als die bestens bekannte Bank, auf die man setzen mag. Das ist die Lage, wie man sie immer wieder vorgeführt kommt und selten brachte man dafür mehr Unverständnis auf als für Sinuhe, der vor Kurzem nach langem Warten endlich sein Meisterstück „Mescalin“ in die Welt entlassen hat. Denn das Können und die Leidenschaft für das eigene Schaffen ist seit jeher unverkennbar beim Wuppertaler Echthalter. Ob mit vorliegenden vierzehn Stücken endlich die mehr als verdiente Aufmerksamkeit auf Sinuhe gerichtet wird?

Laut eigener Aussage gab es bei den Aufnahmen der Stücke dabei nicht weniger Ansprüche, als die, genügend Potenzial in die Stücke zu pressen, um das Gesamtwerk als Anwärter zum Klassiker auf die Massen loszulassen. Ein hochgesetztes Ziel, wie man es von Rappern und ihrem übermäßig entwickelten Egos keine Seltenheit mehr ist. Und dennoch hat man bei Sinuhe nicht das Gefühl, dass er damit Übertreibung im Sinne hat. Im Gegenteil, vorausgegangene Stücke, Gastbeiträge und nicht zuletzt die inzwischen immer wichtiger gewordene Erfahrung sprechen für ihn und lassen doch tatsächlich glauben, dass hier in der Tat so Einiges geht.

Nach dem ersten Hördurchlauf ist dann auch klar, dass das eben Gehörte beachtlich ist. Nicht nur aufgrund der Souveränität, die Sinuhe von Anfang an ausstrahlt („Masterpiece“) und seiner herausstechenden Art zum Reimen. Auch die unter anderem von Jay Beaz, Phong Bak, Illuzion, Drum Kid und Sinuhe selbst produzierten Beats schaffen den Spagat zwischen abwechslungsreich und eingängig, zwischen energisch („Supastar“ mit einem grandiosen Inzoe als Gast) und leicht melancholisch auf dem unglaublich gelungenen, Mut machenden „Für Dich“ mit Brenna an der Hook, der seinen Teil zu diesem, ich betitel es einfach mal Hit, beiträgt.

Thematisch gibt es Anspruchsvolles auf die Ohren, zumindest gemessen am heute waltenden Standard, aber angenehm einfach formuliert, so dass man auch ohne Fremdwortlexikon Sinuhes Lebensbeschauungen folgen kann, wie er dies etwas auf „Arm Und Reich“ zum Ausdruck bringt. Wie man als Hörer von Stücken wie „Blickwinkel“ oder „Täglich Grüsst“ umwickelt wird und in den Bann des Künstlers gezogen wird, ist große Klasse, wo man sich fragen muss, wieso sowas nicht in aller Munde ist. Und wo dein durchschnittliches Album zum Ende hin gerne mal stark abbaut, da haut Sinuhe mit „R.I.P.“ noch mal eben einen dieser fesselnden Tracks raus, der dafür sorgt, dass man geneigt ist, das Album gleich ein weiteres Mal im Player zu lassen.

Schade lediglich die zum Teil kurze Spieldauer der Tracks, die dank der herausragenden Qualität viel zu schnell ihr Ende erreichen. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, darf man dies zugleich jedoch als Vorteil des Album sehen, nimmt es dadurch einen kompakt gehaltenen Charakter an, der weitaus öfters in voller Länge ertönt, als es vermutlich bei 5-Minuten-Stücken der Fall wäre. So gesehen also auch hier alles richtig gemacht und eine denkbar günstige Ausgangssituation fürs Schlussfazit geschaffen.

Ob „Mescalin“ nun als Klassiker der Deutschrap-Geschichte eingeht und sich damit in eine Reihe mit Kopfnickern und Co. positioniert, bleibt zwar abzuwarten. Fakt ist jedoch, dass das Potenzial durchaus vorhanden wäre und man es Sinuhe wünschen würde. Hier steckt jede Menge Leidenschaft und Energie in und zwischen den Stücken und das merkt man zu jedem Zeitpunkt. Keine Frage, „Mescalin“ ist ein gelungenes Gesamtpaket und ein herausragender Release eines Rappers mit Ambitionen und Engagement, was belohnt werden sollte. Mit „Mescalin“ setzte sich dieser immerhin bereits selbst ein kleines Denkmal. Grandios.
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MAdoppelT - Hybrid




Nachschub aus Wien! Direkt aus dem Herzen der österreichischen Hauptstadt kommt MAdoppelT mit seinem inzwischen dritten Langspieler nach den viel gefeierten und gern gehörten “Null Uhr” und “Plan Leben”. Dreizehn Stücke stark, nennt sich das Ganze “Hybrid”, ein vor allem durch die Automobilindustrie bekanntgewordenes, lateinisches Fremdword, das für etwas Gemischtes oder Gekreuztes steht. In vorliegendem Falle kreuzen sich vor allem die Wege zweier Produzenten. Zum einen Santo und zum anderen der unlängst zu den renommiertesten Produzenten des Alpenlandes zählende Brenk.

Es ist ein Album, welches zunächst durch seine Schlichtheit zu überzeugen weiß. Farblich sehr dezent gehalten im zeitlosen Schwarz-Weiß und mit nicht viel mehr auf dem Cover als, man möchte es kaum glauben, dem Künstler selbst. Luxuskarossen und barbusige Mädels? Fehlanzeige. Zum Glück. Stattdessen also MAdoppelT, dem die Kurzhaarfrisur weit besser zu Gesicht steht als der Lockenteppich von einst und mit großen Augen den Käufer erblickt. Nicht etwa ausladend oder in irgendeiner Form unsympathisch, eher darauf wartend in Aktion treten zu dürfen.

Kaum sind die Worte ausgesprochen/gedacht, geht es auch schon „Zurück In Die Zukunft“, einen von Santo mit zeitlosem Gewand versehener Opener, los. MAdoppelT pirscht sich dabei gewohnt versiert mit geschultem Flow voran und gibt die Marschroute vor. Diese führt geradewegs zur nächsten Party, die mit dem von Brenk erschaffenen „Zeig Mir Wo Du Bist“ sogleich regelrecht auseinandergenommen wird. Ein treibendes Instrumental, MAs Umgang mit den Zeilen und nicht zuletzt eine nicht von der Hand zu weisende Portion Wiener Charme machen das Stück zum Favoriten auf der nächsten Tour.

In der Folge zeigt sich eine weitere Stärke von MA, nämlich die Vielseitigkeit seines Wesens. Gerade eben noch das Schlitzohr, das dir ganz selbstverständlich die Flasche aus dem Kübel entnimmt, gibt es keine vier Minuten später bereits die hinterfragende, ernste und kritisch beäugende Seite zu bestaunen. „Luft“ ist dabei noch am Ehesten mit dem Adjektiv ‚bombastisch‘ zu beschreiben und zeichnet sich durch eine stimmige Hook von Lukas Hillebrand aus, welcher in der Folge noch zwei weitere Male in Erscheinung tritt und neben Juci und Thi Stylee die kompakte Gästeliste komplettiert.

Nächste Szene: „Lass Es Brennen“. Der Titel lässt es erahnen, handelt es sich hierbei um einen kleinen Song ans liebgewonnene Weed und die damit erreichbaren Höhen. Was sich dank entspanntem Auftreten und dem Beitrag von Reggae-Artist Thai Stylee auch für die drogenfreie Hörerschaft als echte Bereicherung der Playlist offenbart. Dort wird sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch „Ich Wünschte“ einfinden. Lyrische Rückblenden gepaart mit realitätsnaher Dramatik und ergreifender Ehrlichkeit ergeben summa summarum ein außergewöhnlich fesselndes Hörerlebnis.

Zwingend erwähnt werden sollte dann noch das „Lied ohne Name“, welches sich als angenehm unkitschiges Stück über die Liebe entpuppt und dank freigelassenem Platz in der Tracklist die Möglichkeit bietet, den Namen seiner/seines Liebsten ebendort einzutragen. Sowie das ausschließlich von Brenk erschaffene Ende in vorm der drei Tracks „Wünsch Dir Was“, „Vorbei“ und „Wer Weiss“. Fertig ist die ungemein unterhaltsame weil gehaltvolle Reise durch MAdoppelTs „Hybrid“.

Folgerichtig darf man ruhigen Gewissens behaupten, dass es dem Wiener auch mit seinem dritten Werk gelungen ist, den durch die Vorgänger bereits erklommenen Platz als Kritikerliebling nach wie vor für sich zu beanspruchen. Und dank der vielseitigen Stücke, unter denen wohl für jede Situation etwas passendes dabei sein dürfte, wird sich der Name MAdoppelT auch in Zukunft bei Hörern von lupenrein umgesetzten Deutschrap ins Gedächtnis brennen. Sollte man feiern, sowas.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Samstag, 5. Juni 2010

0816 - Mit Mic & Seele




Man versetze sich einmal in die Lage eines Personalabteilungschefs, der von Zeit zu Zeit immer wieder in Vorstellungsgesprächen die unterschiedlichsten Menschen vor die Nase bekommt und entscheiden muss, wer einen souveränen Eindruck macht, die geforderten Qualitäten mitbringt und nicht zuletzt auch auf menschlicher Seite zu überzeugen weiß. Und nun spinne man die Vorstellung weiter und stelle sich vor, man hätte es zur Abwechslung nicht mit Sachbearbeitern, sondern Rappern zutun, die sich um die Gunst des Hörers bewerben. Wie sonst auch gilt es, die gängigen Fragen zu beantworten und zu einem Entschluss zu kommen; kaufe ich das Ganze oder lasse ich es nicht doch lieber links liegen?

Wirft man einen Blick auf den derzeitigen Absatzmarkt, fiel der Entschluss zuletzt wohl meist auf Letzteres. Doch nun kommen die Herren Amazing M, Dobb W und Youngstarr ins Spiel, allgemeinhin wohl besser bekannt unter dem Crewnamen 0816. Bereits der Name verdeutlicht, es hier nicht mit austauschbaren, seelenlosen Menschen zutun zu haben, die nur darauf aus sind, Profit zu schlagen. Und spätestens wenn man Nas und dessen „One Mic“ vom „Stillmatic“-Album nimmt und daraus ein quasi eingedeutschtes Pendant einspielt, wird auch klar, dass offensichtlich auch ansonsten drei vollkommen okaye Leute ans Werk gehen.

Die Liebe zur Sache ist dann auch das tragende Thema vom somit treffend betitelten „Mit Mic Und Seele“. Auf sechzehn Songs verteilt gibt es mal harsche Kritik an, nennen wir es einfach mal beim Wort, Szenehuren und sonstige geldgeile Ausbeuter („Jeder 2te“), schlichtweg intelligente Aussprachen, die dabei helfen sollen, den Kopf, den man ansonsten gerne mal vernachlässigt, wieder einzuschalten und nachzudenken („Irgendwie“ mit Niko Soprano). Aber auch mal recht kompromisslose Ausflüge in den Tanzsaal, wenn mit der nicht nur einmal im Laufe der Spielzeit auftretenden Louisa Lettow „Die Scheisse Geht Ab“ losgelassen wird.

Ein weiterer gern gehörter Gast ist B.E., der ebenfalls gleich zwei Mal zu Wort kommt. Einmal auf „Schlag Alarm“, welches für die geradlinige Art ins Mic zu spucken steht und zum anderen „Roll Mit Uns“. Dass 0816 auch ohne Features funktionieren, beweist dann das bildhafte, dem Alltag entfliehende „Weltreise“, ein Track, der sich besonders bei so tristem Grauwetter dieser Tage bewährt. „Untergrund“ und „Ich Erzähl Dir Was“ sind dann noch zwei weitere Beispiele, für das harmonische Zusammenspiel des Trios.

„Mit Mic Und Seele“ ist ein in sich geschlossenes und stimmiges Album. Sechzehn Stücke, die nie gekünstelt wirken und vor allem im Gesamtbild zu überzeugen wissen. Dazu ein angenehmer Sound, der weder überstrapaziert noch langweilt und drei Herren, die sich in den Jahren der Vorbereitung weiterentwickelt haben, um 2010 letztlich den entscheidenden Schritt zu machen. Gutes Debüt und eine Formationen, von der man in Zukunft gerne weitere Alben hören möchte.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de