Samstag, 24. April 2010

Brotha Lynch Hung - Dinner And A Movie




Horrorkore, der böseste Ableger unter den zahlreichen Unterordnungen innerhalb der Rapmusik, ist dank Künstler wie Basstard seit geraumer Zeit in Deutschland vertreten und genießt eine feste Anhängerschaft, die nicht genug bekommen kann von lyrischen Massakern und psychopathischen Absurditäten. Selbstverständlich gibt es diese Form der musikalischen Auslebung auch über dem Atlantik und blickt dort bereits auf eine bewegende Geschichte zurück. Eine der wohl auffälligsten Personen auf diesem Gebiet ist mit Sicherheit Brothy Lynch Hung, der bereits seit den frühen Neunzigern die Machete schwingt und sie in die Leiber seiner fiktiven Opfer rammt. Mit so viel Freude, dass er nun nach langer Wartezeit endlich sein neuestes Konzeptalbum „Dinner And A Movie“ über Tech N9nes Strange Music auf die Massen loslässt.

Zwar darf man davon ausgehen, dass das Album inhaltlich nicht mehr die hohen Wellen schlagen wird, wie einst, als BLH in der Kritik stand, einen dreifachen Mörder mit seinen Texten zu seiner Tat inspiriert zu haben. Jedoch ist das wohl eher Filmen wie SAW und Hostel geschuldet, die die Hemmschwelle bezüglich Gewalt u. ä. , ob in bewegten Bildern oder bildlicher Sprache, auf Kniehöhe gedrückt haben. Denn zwischen Kannibalismus, Suizid und Mord fühlt sich Kevin Mann, so Lynchs bürgerlicher Name, immer noch zu Hause. Die Sonne Kaliforniens, die der aus Sacramento stammende Rapper bestens kennt, ist hier allenfalls eine Randerscheinung, der Tag nur die leidige Zeit bis zur Nacht, in der dann hemmungslos drauflos geschlachtet wird – ausschließlich lyrisch versteht sich.

Womit wir auch schon beim Konzept von „Dinner And A Movie“ wären. Auf diesem folgt man dem Leben eines Serienmörders, der Rapper tötet. Bereits hier wird deutlich, dass die kompromisslose Liebe fürs Abwegige stets Platz lässt für eine Prise bitterbösen Humor, stellt man sich vor, wie Mann den beängstigend schwach auftretenden Rapper von Nebenan kurzerhand um die Ecke bringt, ihn in handliche Teile zerhackt und in einem Sack gebündelt in den nächsten Fluss wirft. Soweit so gut, aber was können die Tracks tatsächlich?

Einiges, wie bereits durch „Colostomy Bag“, der dritten Single des Albums, verdeutlicht wird. Technisch gut präsentiert sich Brothy Lynch Hung auf eines an Dre’sche Beatbastler-Künste erinnerndes Instrumental und erzeugt schon hier die fürs Konzept wichtige Atmosphäre. Diese wird fortan düster gehalten, vorläufig gipfelnd im derben „Sit In That Corner Bitch“, das einen gebannt vor den Boxen sitzen lässt. Hinter all dem verbergen sich auch Stücke wie das seinem Sohn gewidmete „Meat“ bzw. dem seiner Tochter gewidmetem Pendant „I Tried To Commit Suicide“.

Toll auch der von Glocken bereicherte Beat eines „Split Personality“, dem auch die gespaltene Persönlichkeit im Text gut zu Gesicht steht. Als Strange Music-Release darf natürlich auch nicht Tech N9ne selbst fehlen, welcher gemeinsam mit Kompagnon Krizz Kaliko seine technische Versiertheit auf „Don’t Worry Momma, It’s Just Bleeding“ zur Schau stellt. Der K.O.D. und Sacramentos Hannibal Lecter, eine durchaus sinnmachende Kombination. Wer nun denkt, die vorgetragenen Morde müssten ausschließlich leise, still und heimlich vollführt werden, der widme sich „I Plotted (My Next Murder)“. Ein imposant aufspielender Track, der einiges bewegt.

Stimmige Beats, detailverliebte Texte, ein Feature von Snoop Dogg, Daz und Kurupt („Anotha Killin“) und Skits, die hier ausnahmsweise nicht nerven, sondern der Atmosphäre zugute kommen. So entstand ein finsteres Horror-Hörspiel für Rap-Freunde, denen harte Kost nichts anhaben kann. Sicher nicht jedermanns Sache, aber ohne Zweifel als eines der besseren Konzeptalben zu jüngeren Veröffentlichungsgeschichte zu zählen.
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Diese Review erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Dienstag, 20. April 2010

Method Man, Ghostface Killah & Raekwon - Wu Massacre




Was sagt man dazu. Drei Jahre nach dem für geteilte Meinungen sorgenden „8 Diagrams“ und gestärkt von einem „OB4CL2“ schickt sich ein Drittel der Ur-Besetzung des Clans auf, um die Massen aufs Neue zu begeistern. Im Bezug auf das tolle Artwork und den verheißungsvollen Titel gelingt dies bereits noch vor dem ersten Hördurchlauf und weckt die Neugierde. Dies allein rechtfertigt einen Kauf gewiss noch Lange nicht, jedoch die Zeichen standen schon schlimmer und man hat noch immer nicht das Gefühl, als hätten die Jungs ihr gesamtes Pulver bereits in der Vergangenheit verschossen.

Den ersten Dämpfer findet man dann aber schneller als gedacht – die Trackliste. Nicht nur blickt man dort auf gerade einmal happige 10 Stücke plus zwei Skits. Nein, darüber hinaus fällt auf, dass die Arbeitsaufteilung des Trios offenbar nicht ganz korrekt ablief. So liest man Ghostface auf nahezu jedem Track, während Raekwon sich weitaus seltener die Ehre gibt um ein paar Verse zu droppen. Ein herber Rückschlag, da doch gerade Rae nach seiner überaus gelungenen Dealer-Fortsetzung in bestechender Form auftrat. Die Flinte verführt ins sprichwörtliche Korn zu werfen, dazu besteht nichtsdestotrotz kein Grund.

Also legt man das „Wu Massacre“ ein und schon „Criminology 2.5“ zündet auf Anhieb mit vollzähliger Anwesenheit. Auch Allah Mathematics‘ „Mef Vs. Chef 2“ überzeugt mit messerscharfen Reimen von beiden Seiten, findet aber ein allzu jähes Ende – symptomatisch fürs Album? In jedem Falle weißt auch das von Ty Fyffe inszenierte „Smooth Sailing Remix“, mit Solomon Childs und Streetlife, durch mitreißende Energie im Beat zu gefallen. Kurz vor Halbzeit darf dann RZA Hand anlegen und tappt damit ins Leere. Zum einen wirkt „Our Dreams“ für ein Massaker doch arg gehemmt, zum anderen kann es beim Benutzen von Kopfhörern mitunter zu schmerzhaften Momenten kommen. Unsaubere Abstimmung beim Mastering?

Die zweite Hälfte wird ergänzt durch einige Gastbeiträge aus dem direkten bzw. näheren Umfeld. Neben Inspectah Deck beispielsweise Sun God und Trife. Ja sogar der als Schauspieler und Komiker bekannte Tracy Morgan schaut auf einen Abstecher vorbei, wen auch nur um eines der beiden Skits zu besorgen. Ansonsten hebt sich Ghostface‘ Solotrack „Pimpin‘ Chipp“ positiv hervor und auch „Miranda“ beweist erneut, wie viel Potential in dem Projekt steckt, wenn denn alle drei tatschlich auf einem Track zu hören sind. Die Tatsache, dass dies jedoch nur unzureichend der Fall ist, kann dann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier zwar einiges Brauchbares abgeliefert wurde. Zugleich im selben Moment noch eine Menge Potenzial in Staten Island liegen gelassen wurde.

Alles in allem eine höchst prekär einzuschätzende Veröffentlichung, die einen da in hübscher Optik anlacht. In der Grundbasis solide, bei genauerer Betrachtung deutlich zu kurz, wird dennoch jeder Wu-Anhänger beherzt zugreifen. Unschlüssige sind hingegen besser damit bedient, vor dem Kauf in die Tracks rein zu hören, um so bei dem doch arg fragwürdigen Preis/Leistungs-Verhältnis (aufgrund der kurzen Spieldauer) auf Nummer Sicher zu gehen.
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Diese Review erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Montag, 19. April 2010

Im Interview: Negundo




Gerade eben erst in Form einer Review im Zentrum der Aufmerksamkeit, schon geht es weiter mit Negundo. Dessen Album „No Icecream For Frieda“ bot nicht nur jede Menge hochklassiges musikalisches Material, auch Gesprächsstoff für ein kleine Interview. Resurrection of Rap im Gespräch mit dem Produzenten über Schokoladeneis am Stiel, Französisch und das Geschehen im Rap-Kosmos.

Negundo, du bist seit mehr als einem Jahrzehnt aktiv mit dabei und hast sicher viel erlebt. Gab es bestimmte Momente, die dich rückblickend besonders prägten oder beeinflussten?

- Ja, da gab es ein paar Sachen. Als ich mit Hip Hop angefangen habe, war ich zuerst MC. Als sich dann meine damalige Crew aufgelöst hatte, dachte ich mir: „Jetzt erst recht!“ Und so kam es zu Last Survivor Records. Allgemein ist zwischen 1998 und 2002 sehr viel passiert. Zu erwähnen wäre noch, dass wir wie alle am Anfang auf Instrumentale von Platte gerappt haben, man aber dann doch mehr will und so kam es, dass E.V. Flash uns die ersten Beats gab und ich durch ihn auch zum Produzieren kam.



Dein neues Produzentenalbum trägt den Titel „No Icecream For Frieda“. Was hat es damit auf sich?

- Eigentlich nichts spezielles. Es gab verschiedene Titel zur Auswahl, die ich immer wieder verworfen habe, weil es mir auch wichtig ist, dass Titel und Cover zueinander passen. Tendenziell stehe ich nicht so auf die überladenen Posing-Cover. Anfang des Jahres habe ich mit einem Freund ein paar Beats durchgehört und zum Dessert haben wir nebenbei Schokoladeneis am Stil gegessen. Mein, vom Gesetz her als gefährlich eingestufter Kampfhund Frieda hätte gern ihre Portion bekommen, aber mein Gast sagte ihr dann „No Icecream For Frieda.“ Und so kam eins zum anderen.


Als Produzent hast du schon den ein oder anderen bekannteren Namen mit Beats versorgt. Gab es dabei Zusammenarbeiten, die dich besonders erfreuten?

- Generell ist jede Zusammenarbeit erfreulich. Die wohl bekanntesten Künstler, mit denen ich in letzter Zeit zusammengearbeitet habe, sind Herr von Grau aus Berlin oder eben Morlockk Dilemma aus Leipzig.


Seit letztem Jahr gehörst du zum Netzwerke-Team, welches Anfang des Jahres bereits den dritten Teil der Samplerreihe veröffentlichte. Was hat dich dazu bewogen, Teil dieses Ganzen zu werden?


- Dadurch, dass ich seit 2006 selbst jedes Jahr einen Sampler produziere, sind solche Projekte für mich generell interessant. Ich bin dann im Netz darauf aufmerksam geworden und da ich mit Main Moe einen MC vor Ort hatte, der sowieso wöchentlich bei mir im Studio vorbeigekommen ist, um zu recorden, konnten wir recht kurzfristig noch einen Song zum zweiten Teil beisteuern. Für die danach erschienene Remix LP wurden die verschiedenen Produzenten der Netzwerkereihe kontaktiert um aus den beiden Teilen noch einige Klassiker neu aufzulegen. Ein besonderer Reiz beim Netzwerke Sampler war eben auch, dass es ein völlig neues Umfeld war.



Macht es für dich denn einen Unterschied, ob du mit einem bekannten Künstler wie Morlockk Dilemma zusammenarbeitest oder einem weitgehend unbeschriebenem Blatt?

- Nein, denn in erster Linie achte ich als Produzent darauf, dass der MC sein Fach versteht und am Ende Beat, Text und Flow eine runde Sache ergeben. Was die Zusammenarbeit mit Morlockk Dilemma betrifft war es so, dass wir 2001 mit unserer jeweiligen Crew in Riesa aufgetreten sind. Als ich bei ihm dann Ende 2006 wegen des „Inter City“ Albums angefragt hatte, war er zwar schon ein bekannter Untergrundkünstler, aber deutschlandweit noch eher ein unbeschriebenes Blatt.


Auf deinem Album versammelst du Künstler aus ganz Deutschland und darüber hinaus. Da muss die gern gestellte Frage erlaubt sein, in wie weit du vom Internet und dessen Möglichkeiten profitierst? Wie kam der Kontakt zu den jeweiligen Gästen zu Stande?


- Ach ja, das gute Internet. Segen und Fluch zugleich. Aber es stimmt - viele Kontakte kamen über das Internet, da ich selbst ein „Kind aus der Provinz“ bin und nicht viel aus meinem Kämmerchen komme und nur gelegentlich ausgewählte Konzerte besuche. Insgesamt, würde ich sagen, sind ca. 50% der Kontakte über stundenlange Internetsuche entstanden und der Rest lief über Bekanntschaften, Jams und bereits vorhandene Kontakte. Bei einem solchen Projekt mit ca. 30 Beteiligten kann man nicht alle besuchen oder einladen, da es sicherlich den zeitlichen und finanziellen Rahmen sprengen würde. Die meisten haben ja heute die Möglichkeit, ihre Songs bei sich aufzunehmen und dann ist es dank des Internets einfacher geworden, diese zu verschicken.



Du hast mit Zoën auch französische Zeilen auf dem Album. Bist du selbst der französischen Sprache mächtig und in der Lage, die gerappten Inhalte zu verstehen?

- Nein, leider nicht. Auf dem “Inter City” Album war ja auch schon ein französischer Track von G-Starr, der aber auch deutsch sprach. Ich wollte dieses Mal auch wieder einen dabei haben. Französischen Hip Hop fand ich schon immer interessant - es gibt dort schließlich eine sehr große Szene. Einige Platten und CDs habe ich auch zu stehen. Darüber hinaus denke ich, dass einige nicht einmal englische Texte verstehen. Als Produzent sind mir Inhalte zwar auch wichtig, doch wenn ich Konzerte besuche, dann interessiert mich in erster Linie der Beat, dann kommen Text und Flow. Rapper, im Umkehrschluß, achten bestimmt mehr auf die Vocals.



Besonders beeindruckt hat mich das Stück “WWW” mit eSKay, der einen sehr sauberen Beitrag geleistet hat und von dem man gerne noch mehr hören möchte. Ärgert es dich, dass sich der Fokus der Aufmerksamkeit hier in Deutschland zumeist auf eine Hand voll Künstler beschränkt?


Ja, das ärgert einen schon irgendwie, aber das ist in vielen Bereichen so, daß das was gut ist nicht immer gleich dem ist, was am bekanntesten ist. Zudem hat diese Hand voll Künstler meist auch einen guten Promotion Apparat seitens eines Labels im Rücken.
Die mangelnde Künstlervielfalt liegt zum einen sicher auch daran, dass die Magazine/Portale täglich mit Demos von “Ich rap seit gestern und will morgen berühmt sein” MCs überflutet werden und sich vielleicht lieber auf die etablierten Namen fokusieren.
Um den Bogen zu eSKay zu schlagen – man wird sicher mehr von ihm hören, zumal wir beide dieses Jahr noch eine EP machen wollen.



Könntest du deinen eigenen Sound in wenigen Worten zusammenfassen für die, die noch nichts von deinen Beats gehört haben?

- Seinen eigenen Sound zu beschreiben, finde ich immer etwas problematisch, aber was man vielleicht sagen kann ist, dass ich nicht besonders viele Partytracks produziere. Ich denke, meine Beats sind zumindest so abwechslungsreich wie die Künstler, die sie sich aussuchen.



Titel wie “Life Is Good” oder “Hear No Evil” erwecken einen optimistischen Eindruck, während “Scheiss Auf Hip Hop” mehr die pessimistische Ader erkennen lässt. In welcher dieser Sparten siehst du dich am Ehesten zu Hause?

- Musikalisch mag ich beides. Persönlich halte ich mich eher für einen Optimisten.


Dein Lieblingsalbum des vergangenen Jahres?

- Auf ein Album würde ich mich jetzt nicht so festlegen wollen. 2009 gab es für mich mehrere Alben, die auch wieder sehr unterschiedlich sind, wie zum Beispiel Herr von Grau mit „Heldenplätze“, „Apokalypse Jetzt“ von Hiob und Dilemma, „Angst“ von Donato und auch „Zuckerbrot und Peitsche“ von Mädness.


Wohin gehend siehst du die Entwicklung des Hip Hop, insbesondere Rap, in den nächsten Jahren? Eine Rückkehr zu den Wurzeln mit Wertlegung auf Können?

- Natürlich habe auch ich keine Glaskugel, um eine präzise Antwort zu geben. Letztlich gab es schon immer viele parallele Strömungen im Rap, die sich abwechselnd ganz oben befanden. Man muss auch unterscheiden zwischen dem, was diverse Medien in die Szene hineintragen und was die Szene selbst hervorbringt. Ich würde mir wünschen, dass insgesamt wieder mehr auf Qualität als auf Quantität geachtet wird und Promotion als Ergänzung zum Tonträger gesehen wird und nicht umgekehrt.


Was dürfen wir in absehbarer Zeit noch so alles von dir erwarten? Konkrete Pläne?

- Es hat sich jetzt so eine Art Zyklus ergeben, dass das nächste Projekt wieder ein Download in der Machart „SoundStattBroetchen“ mit Remixes, Exklusives und Songs, die bereits auf den Künstleralben veröffentlich wurden, wird. Darüber hinaus wird es nach dem Download auch wieder ein „richtiges“ Album geben. Wahrscheinlich werde ich auch am dritten Teil des Netzwerke Samplers beteiligt sein. Außerdem haben sich bereits verschiedene Soloprojekte von Crewmitgliedern angesammelt, die 2010 kommen werden.


Ich bedanke mich für das Interview und wünsche weiterhin viel Erfolg mit deinem Album.

Negundo - No Icecream For Frieda




In den Köpfen vieler herrscht noch immer dieses ‚Früher war alles besser‘-Denken und spätesten seit Nas wurde es zum gern genutzten Zeitvertreib, Rap für tot zu erklären. Dass sich manches im Laufe der Zeit jedoch auch zum Guten gewandelt hat, unabhängig von negativ behafteten Dingen wie sinkende Verkaufszahlen und inhaltliches Vakuum, wird dabei gerne außen vor gelassen. Man denke nur an den Produzenten, einst eine eher unscheinbare Person, die im Schatten des Glanzes der Künstler ein müdes Dasein fristet, mauserte sich der Produzent nach oben und schaffte es in nunmehr nicht wenigen Fällen, sich selbst als Star zu etablieren, dem die Künstler wiederum die Füße küssen.

Die Folge sind unzählige Produzentenalben, die oft alle der gleichen Formel einhergehen. Man nehme die bekanntesten Namen im Adressbuch des Produzenten, konstruiere daraus schlüssige Konstellationen und packe das Ganze in Albumlänge als buntes Einerlei in die Läden. Kann interessant sein, sowas. Aber auch langweilig, ausgelutscht und belanglos. Schön daher, dass es noch Personen gibt wie Negundo, seines Zeichens einer der alten Hasen im deutschsprachigen Spiel. Als Beat-Bastler bereits tätig gewesen für unter anderem Herr von Grau und Morlockk Dilemma, kommt dieser einfach mal mit seinem Entwurf eines Produzentenalbums um die Ecke.

Doch statt übertrieben auf Hochglanz polierte Playlist für die Großraum-Diskothek, besorgt Negundo lieber feines Material für die, die Rap nicht wegen dem unlängst überstrapazierten Materialismus schätzen. So gibt es statt großer Namen ein 21 Stücke umfassendes Album mit überwiegend unbekannteren Namen, die hier auf Englisch, Französisch und natürlich Deutsch ihr lyrisches Talent zum Besten geben. Soweit die Fakten, nun zum eigentlichen Inhalt, den Tracks.

Wie die vertretenen Gäste, beschert einem auch Negundo selbst ein vielschichtiges Angebot an Instrumentalen. Vom klassischen Brett samt wohliger Cuts von DJ NST mit Wortspielen von den Partners in cRhyme („Das Brett“) über ein rumsendes, elektronisches Beatgerüst in Form von „Leader“ bis hin zum asiatisch angehauchten Feeling auf „Pleite und blank“ ist viel Abwechslung geboten, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, alle Geschmäcker bedienen zu wollen. Die Künstler selbst liefern Kritik am aufgesetzten Image vieler ihrer Kollegen, präsentieren sich als Prinzen des C2H6O (= Alkohol) oder arme Schlucker, lassen sich über Hausfrauen und Drecksschlampen ab oder lehnen sich zurück getreu dem Motto ‘Life is good’.

So sind zum Teil richtig dicke Dinger entstanden, etwa „Endstation“ vom gewohnt guten Herr von Grau, welcher wohl auch den klangvollsten weil bekanntesten Namen aller Beteiligten trägt oder aber das von astreinen Reimen auf dopen Beat gepaarte „WWW“ mit eSKay, der eine starke Figur abgibt. Eine tolle Vorstellung gibt es auch von Lars vom Dorf, dessen Beitrag zu „Pleite und blank“ ohne Frage zu den Glanzpunkten von „No Ice Cream For Frieda“ gehört.

Wer es etwas gewöhnungsbedürftiger mag, der greife zu „Echter Mann“ von Häuptling und DJ Cutaholic. Eigenwillige Vortragsweise, dazu ein dennoch passender Beat und fertig ist der Track, an dem sich die Geister scheiden – Geschmackssache. Zwar wirken besonders die englischen Gäste etwas blass trotz technisch ordentlicher Leistung und werden von den deutschen Parts klar in die Schranken verwiesen. Als willkommene verbale Abwechslung nimmt man diese dann aber dennoch gerne wahr und hört sich so von Track zu Track, bis es nach dem Bonus in Form eines Remixes zu „The City Never Sleeps“ von den Brown Bag Allstars heißt: Schicht im Schacht.

Wer Lil Wayne und dessen Young Money-Umfeld feiert, Timbaland frenetisch feiert und überhaupt mit Rapmusik klassischer Bauart nicht allzu viel anfangen kann, der wird sich schwer tun mit vorliegendem Album. Alle anderen, die auch mal die Schlichtheit als Bewundernswert begreifen, sollten sich die Mühe machen und rein hören. Oder einfach das dazugehörige Interview mit Negundo lesen. Lohnt sich.

Freitag, 16. April 2010

Lil Wayne - Rebirth




Der beste Rapper, der noch unter uns weilt? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. In jedem Falle jedoch ist es eine der schillerndsten Personen, die Hip Hop bis dahin gesehen hat. Souveränität, Eigensinn und das besondere Etwas, Lil Wayne hat viele Argumente, die Titulierungen wie den des personifizierten Erfolges zulassen. Wer ganz oben angekommen ist, hat jedoch auch viel zu verlieren. Die Geschichte bietet zahlreiche Beispiele, die vom tiefen Fall berichten. Lil Wayne scheint das reichlich egal zu sein und so entschied sich der 82iger-Jahrgang mit „Rebirth“ die E-Gitarre aus dem Schrank zu holen und einfach mal zu machen. Quasi der komplette Gegenentwurf zu einem Dr. Dre, welcher seit gefühlten Jahrzehnten an „Detox“ bastelt.

Wie die Künstlerfigur Lil Wayne selbst, darf man auch über dieses Vorgehen geteilter Meinung sein. Auf der einen Seite steht der Fakt, das zahlreiche große Momente der Musikgeschichte dem Zufall und dem spontanen Gefühl geschuldet sind. Auf der anderen der Umstand, dass gerade der Versuch zwischen Rap und Rock zu wandern, Tücken zur Genüge bietet. Hinzu kommt das Cover der CD, dass nicht gerade die Erwartungen ins Unermessliche steigen lässt. Ein schwer durchschaubares Machwerk also? Nicht ganz.

Wieso? Ganz einfach deshalb, da bereits nach spätestens zwei Tracks, „American Star“ und „Prom Queen“ deutlich wird, dass hier nicht allzu viel geht. Als habe der ausbleibende Erfolg der Singles, die konstant an Anklang verloren, nicht bereits genügend gesagt, beweist Lil Wayne hier auf Albumlänge, dass man sich auch als einer der ganz Großen zwar vieles, aber eben nicht alles erlauben kann. Oder vielmehr sollte. Blüht die persönliche Kreativität des Künstlers in einer Umgebung wie der von „Rebirth“ auf? Denkbar. Schafft man es dabei auch, die eigene Begeisterung für das ‚Neue‘ auf die Hörerschaft zu übertragen, ohne das Zwingende in der Musik zu verlieren? Mitnichten.

Die betitelte Wiedergeburt ist demnach ein reichlich schwachbrünstiger Entwurf von kreativen Ergüssen. Wo Jay-Z einst mit Linkin Park funktionierte, Run DMC mit Aerosmith, da strapaziert ein Lil Wayne die Hörer mit seinem Gekrächtze bereits auf herkömmliche Basis zur Genüge. Wenngleich er damit bei nicht wenigen noch als innovativ gilt und gefeiert wird. Hier dagegen, auf von E-Gitarren auf 08/15-Rock getrimmte Beats, schießt er sich selbst ins Abseits. Fehlt eigentlich nur Auto-Tune und fertig ist die Schweinerei. Oder aber das neu interpretieren eines alten Hits, hier Amy Hollands „She’s On Fire“, das man aus dem Film „Scarface“ kennt.

Als wäre dies nicht bereits genug, wird das Ganze garniert durch die fragwürdigen Features von Kevin Rudolph und Nicki Minaj, die wie Wayne auf standardisierten Instrumentalen dank eigenwilliger Stimme für gespaltene Meinungen sorgt. Einzig wirklich gelungenes Feature ist schon beim Studieren der Trackliste deutlich sichert – Eminem. Die mit ihm inszenierte Sause „Drop The World“ ist eine der wenigen (der Einzige?) Lichtblick des Albums und fährt neben einem altgewohnten Weezie auch einen Eminem auf, der mit seiner Performance zumindest kurzzeitig den Faktor Rap zurück ins Blickfeld rückt.

Sorry, aber hier passiert schlicht zu wenig. Der heftige und offenherzige Flirt mit Rock endet im Niemandsland und flopt ohne gänzlich zu versagen. Bietet für Rap-Freunde jedoch zu wenig Rap und, das behaupte ich einfach mal so ohne mich als Rock-Experte auszugeben, für E-Gitarren-Liebhaber zu viel Belangloses. Weder Fisch noch Fleisch, bleibt letztlich offen, wen genau das Endprodukt „Rebirth“ zufriedenstellen möchte. Klasse Rapper, schlechtes Album. Simple as that.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Montag, 12. April 2010

Bushido - Zeiten Ändern Dich




Love it or hate it – Bushido ist eine der einflussreichsten Personen im deutschen Rap-Business. Mag sein, dass er mittlerweile mehr als Pop- denn als Rap-Artist wahrgenommen wird und eher in der Hip Hop-Bravo als in der Juice gesichtet wird. Sei es drum, sein wirtschaftlicher Erfolg bleibt für den Rest der Szene mehr Wunschtraum als realitätsnahe Zukunftsvision. Und während junge Nachwuchs-Spitter gerne über ihre Game-Übernahme sprechen, das dicke Geld, und eigene Filme, da macht Bushido einfach und brachte mit „Zeiten Ändern Dich“ seine Story auf die breite Leinwand. Dazu durfte natürlich die passende musikalische Untermalung nicht fehlen, welche natürlich von Bushido selbst in Szene gesetzt wurde.

Musikalisch, das werden sich wohl selbst härteste Bushido-Fans eingestehen, hat sich der gute Mann seit geraumer Zeit kaum mehr weiterentwickelt. Das Themenspektrum offenbar stets abgesteckt, vertraut man blind auf das immer gleiche Schema, ein Mix aus Tracks für das eigene Ego („Ein Mann Armee“), für den Straßen-Pathos („23 Stunden Zelle“) und die Kopf hoch-Mentalität („Lichtlein“). Auch auf „Zeiten Ändern Dich“ wurden keine neuen Wege gewagt, inhaltlich wenig Neues versucht, was nun nicht unbedingt für den Kauf des Albums spricht. Vielleicht bedarf es ja einem genauen Blick aufs Detail.

Nehmen wir also den direkt aufs Intro folgenden Titeltrack, ein typischer Track vom Berliner Chart-Dauergast. Er hat nichts geschenkt bekommen, will die Mama stolz machen,…man kennt das ja mittlerweile zur genüge. Auch bereits erwähntes „Lichtlein“ fährt kaum Aufregendes auf, wagt sich aber mit dem Chorus dann aber immerhin aufs sprichwörtliche Drahtseil zwischen ‚mutig‘ und ‚kitschig‘. „Selina“ ist der ernste, melancholische Track, der seit „Janine“ einfach blendend funktioniert. Und wenn Glashaus eingeladen wird, fühlt man sich an die Zusammenarbeit mit Karel Gott erinnert.

Das alles ist nicht zwingend negativ zu gewichten, die Tracks keinesfalls schlecht. Nur fehlt die Begeisterung einstiger Alben. „Zeiten Ändern Dich“ hat aber auch seine glanzvollen Momente. „Airmax auf Beton“ mit Fler beispielsweise, das mit gelungenem Beat ordentlich marschiert. Oder die Single „Alles wird gut“, die nicht von ungefähr an „Lose Yourself“ von Eminems Pendant „8 Mile“ erinnert. Selbst der nicht immer unumstrittene Kay One zeigt auf „Öffne Uns Die Tür“, dass er was kann und längst nicht auf Chablife-Zeiten reduziert werden muss. Zum Schluss gibt es dann noch „Wegen eines Blatt Papiers“, ein gelungene Outro, das man dann auch ohne große Hinterfragungen abkauft und das Album ausklingen lässt.

Bleibt also festzuhalten, dass Bushido auch auf „Zeiten ändern dich“ nichts Neues vom Stapel lässt und somit an Langlebigkeit kaum an ein „Vom Bordstein zur Skyline“ herankommt. Muss es aber auch vielleicht gar nicht, denn zum einen trübt dies kaum den Erfolg, den Bushido weiterhin einheimsen wird. Zum anderen ist Bushido längst mehr als bloßer Musiker, davon zeugt auch die neue Mode-Linie, für die im Booklet Werbung gemacht wird. Stellt sich abschließend die Frage, was Bushido in Zukunft noch so alles vor haben wird.
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Diese Rezension ist ebenfalls erschienen auf HipHopHolic.de

Freitag, 9. April 2010

Ludacris - Battle Of The Sexes




Der Kampf der Geschlechter – ein Thema, das in der medialen Vergangenheit bereits zu genüge Stoff bot für Filme, Serien, Bücher oder die Boulevard-Magazine dieser Welt. Und auch in der Musik nahm man sich diesem bereits des Öfteren an. So auch Ludacris, der sein neuestes Werk gleich selbigem Thema widmet. Geplant als Kollabo-Album mit Shawnna, welche jedoch in der Zwischenzeit Distrubing Tha Peace verlassen hat, entschloss sich der auch als Schauspieler erfolgreiche Herr Bridges dennoch, „Battle Of The Sexes“ an den Start zu bringen. Ein Wenig im Adressbuch geblättert, schnell waren die zahlreichen Features (u. a. Monica, Lil Kim, Flo Rida & Nicki Minaj) fix und der gute Ludacris gar nicht mehr so solo (lediglich 3 Solotracks). Zeit in den Krieg zu ziehen.

Beginnend mit einem stimmigen Intro, wird sogleich dann der große Hit des Albums von der Leine gelassen: „How Low“. Ein imposantes Exempel von einem Beat und für heutige Maßstäbe enormer Erfolg sprechen für sich und wecken die Neugier auf die folgenden 13 Anspielpunkte. Was folgt ist jedoch zunächst nicht viel mehr als der Versuch an „How Low“ anzuknüpfen. Während „My Chick Bad“ eine mangelhaft auftretende Nicki Minaj als Feature auflistet und allenfalls durch die gescrewte Hook begeistert, spielt sich „Everybody Drunk“ mit ordentlichen Parts vom Hausherren und Lil Scrappy in wohligere Gefilde. So richtig vom Hocker haut einen das alles dann aber auch nicht wirklich.

Von nun an wird es dreckig – in mehr als einer Hinsicht. „I Do It All Night“ und „Sex Room“ machen schon im Titel die Marschrichtung klar und bieten mäßig interessante Bettgeschichten, die kaum mehr für Begeisterungsanfälle sorgen. Wenn dann auch noch Trey Songz in Aktion tritt, ist endgültig Schluss mit Lustig und es darf mit einem ernüchterndem ‚Öde‘ auf den Lippen beherzt die Skip-Taste gedrückt werden. Nun liest man den Namen Flo Rida als Gast und wieder zuckt der Finger zur Taste, doch hört sich das Ergebnis „I Know You Got A Man“ weit weniger schlecht an, als es vermuten lässt und greift mit Untreue gar mal wieder etwas losen Inhalt auf.

Im Grunde hat man nach gut der Hälfte bereits alles gehört, was es zu hören gibt. Ein Themenspektrum gestrickt um Partys und Sex, zumeist ordentlich geschusterte Beats und klar gehende, aber keinesfalls überdurchschnittliche Lyrics. Weshalb man aber dennoch weiterhören sollte? Weil es auch noch drei weitere gelungene Anspielstationen gibt. Einmal „Hey Ho“, bei dem Lil Fate und Lil Kim eine ansprechende Begleitung abgeben. Derordentlich treibende Bonus Track „Sexting“ und der einzig wirklich gelungene Versuche auf „Battle Of The Sexes“, Rap mit RnB zu vereinen. Ein Dank geht somit raus an Monica und ihren Beitrag zur Uptempo-Ballade „Can’t Live With You“.

Sicher, Ludacris ist immer noch ein Rapper mit Leib und Seele, der es versteht über die Instrumentale zu fegen wie eine F-15 im Tiefflug. Auch ist „Battle Of The Sexes“ kein gänzlicher Griff ins Leere. Aber gemessen an den Vorgängeralben präsentiert sich das alles doch weitaus durchschnittlicher, als man es vom DTP-Aushängeschild gewohnt ist. Und man beginnt sich zu fragen, ob dem Album eine weibliche Konstante, wie ursprünglich geplant, doch ganz gut getan hätte. Kampf des Jahrhunderts? Wohl eher Sparrings-Kost als Vorbote auf das hoffentlich überzeugendere „Ludaversal“.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Donnerstag, 8. April 2010

J. Stalin - Prenuptial Agreement




Es ist wirklich interessant, wie sich manche Region im Laufe der Zeit ihren gänzlich eigenen Dingen hingibt. Als schönes Beispiel sei hier die Bay Area der Vereinigten Staaten genannt, in der seit Jahren ein ganz eigenes Süppchen gekocht wird, das allgemeinhin (und oftmals vorschnell) als Hyphy abgestempelt wird. Zwar gab es vor einigen Jahren einen Boom, wie einst zuvor mit Crunk, doch in der öffentlichen Wahrnehmung verschwand dieser Sound wieder. Und ist damit wieder dorthin zurück gekehrt, wo er hergekommen war, in der Bay. Auch J. Stalin kann darüber ein Wörtchen singen. In West Oakland beheimatet, darf man ihn zur aktiven Partei der Bay Area zählen und damit in einer Riege mit Namen wie The Jacka, Messy Marv, Mistah F.A.B. oder Too Short und E-40, welche allesamt auch auf vorliegendem Album zu Worte kommen.

Erstaunlich ist dabei, dass der gute Mann seit 2006 ganze sechs Studioalben (darunter drei Kollabo-Alben) auf den Markt geworfen hat, ganz zu schweigen von ebenso vielen Mixtapes und nun mit Album Nummer Sieben um die Ecke kommt, das wiederum mit 22 Anspielpunkten mehr als üppig ausgefallen ist. Da steckt ganz offensichtlich jede Menge kreative Energie in Herrn Stalin und, das wird beim Studieren der Trackliste deutliche, eine ausgeprägte soziale Ader, die kaum ein Stück des Albums ohne Feature auf den Hörer loslässt. Nicht ungefährlich, beabsichtigt man ein kohärentes Bild zu erschaffen.

Zunächst jedoch bekommt man gute Sachen auf die Ohren, vertreten durch die drei ersten Anspielstationen, wo vermutlich vor allem das Gastspiel von Messy Marv auf „H.N.I.C.“ ins Auge sticht. Kein fliegender Start, aber richtig schlecht wirkt das alles auch nicht. Zumal das Kommende allerhand verspricht, allen voran E-40, welcher sich für „Get Me Off“ in die Booth begeben hat um Beihilfe zu leisten. Doch leider nimmt hier bereits das Unheil seinen lauf. Anstatt zu begeistern, wie man es zunächst erwarten würde, gibt es uninspiriertes Gedudel, man kann es nicht anders sagen, auf die Ohren, mit dem wohl allenfalls hartgesottene Freunde der Bay zurechtkommen mögen. Ein Tief, das noch ein, zwei weitere Tracks anhält, ehe man zum „D-Boy Blues 2010“ gelangt.

Ganz ohne Unterstützung begeistert J. Stalin selbst mit seiner nicht tadellosen, aber doch von anderen Künstlern gut unterscheidbaren Stimme auf einem richtig schicken Beat, das für den Moment die vorausgegangen Ausrutscher vergessen sind. Und auch „Neighborhood Stars“ mit dem Altmeister Too Short und Mistah F.A.B. bewegt erfreulicherweise so einiges, was den bis dahin wahrgenommen Eindruck wieder leicht nach oben korrigiert. Doch der zwischenzeitliche Ausrutscher ins unspektakuläre Mittelfeld hat Spuren hinterlassen und trübt den fortlaufenden Hörgenuss doch deutlich.

Sicher, es finden sich noch weitere gut hörbare Stücke wieder, etwa „Don’t Front“, „Something New“, „U Broke“ oder „Red & Blue Lights“ mit The Jacka. Doch dazwischen geschieht leider auch viel Uninteressantes, das man so nicht noch einmal hören möchte beziehungsweise muss. Wodurch das nicht widerlegbare Fazit zustande kommt, dass hier weniger mal wieder mehr gewesen wäre. Denn so bleibt allenfalls ein okayes Album über, welches auch ein gut auftrumpfender San Quinn zum Ende hin (auf „Posted“) nicht mehr pushen kann. Schade, denn mit weniger austauschbaren Beats und etwas mehr Konsequenz in der Auswahl der fürs Album tauglichen Tracks, wäre hier mit Sicherheit noch Potenzial vorhanden und Luft nach oben.

Samstag, 3. April 2010

Inflabluntahz - Berg Zum Propheten




Die Discographie eines Künstlers oder einer Gruppe kann eine ungeheuer interessante Angelegenheit sein, studiert man die einzelnen Veröffentlichungen und nimmt den Werdegang bewusst wahr vom ambitionierten Start über eine konsequente Fortführung der selbsterrichteten Plattform bis hin zur letztlichen Festigung und Etablierung als gern gehörter Name im Spiel. So auch bei den Inflabluntahz, deren Discographie derart spannend ist, dass es sich ‚Resurrection of Rap‘, anlässlich des neuesten Albums „Segen & Fluch“, nicht hat nehmen lassen, mit „Berg zum Propheten“ auch das erste Album und damit nach „Director’s Cut“ und eben „Segen & Fluch“ die Discographie rezensionstechnisch von neu nach alt aufzuarbeiten. Zurück ins Jahr 2005.

Das sind ganze 5 Jahre, in denen viel passiert ist. 5 Jahre, die einem vorkommen, als wäre es erst gestern gewesen, die im Bezug auf Musik jedoch bereits eine halbe Ewigkeit darstellen. Zeit, in der Künstler kamen und wieder gingen, vorschnell hoch gelobt oder zu Unrecht ignoriert wurden. Die Inflabluntahz kamen – und blieben bis heute. Auf 14 Tracks verteilt, präsentiert sich darauf schon damals ein im Rap aufblühender Dichter und Denker in Form von Franksta, dem man gerne zuhört, während er über die alltäglichen Dinge sinniert, die manch einer kaum mehr wahrnimmt.

Doch auch die musikalische Inszenierung weiß zu überzeugen und ließ keinen Zweifel daran, dass Nicoist und Franksta blendend ineinandergreifen und im Stande sind, den Hörer zu unterhalten. Interessant ist dabei die Tatsache, dass die Beats noch vergleichsweise wenig melancholisch daherkommen und den Reimen so viel Platz zur Entfaltung und Aufmerksamkeit schenken. Was jedoch nicht bedeuten soll, dass die Beatgerüste, bereichert um geschmackvolle Cuts, am Zuhörer leblos vorbeiziehen. Auch auf „Berg zum Propheten“ finden sich klare Höhepunkte, die zum wieder und wieder hören mehr als geeignet sind.

Da wäre „Rap ist tot“, das von der Thematik her auch 2010 nichts von seiner Aktualität verloren hat und mit den Cuts an die erinnert, die neben den Inflabluntahz die Fahne hoch halten / hielten für gut gemachte Rap-Kunst, unter anderem Jintanino, Pal One, Flipstar und Ferris MC. Ebenfalls gut durch die Jahre gekommen ist „Liebe ?!“, welches durch die Offenheit und geerdeten Gedanken über titelgebende Emotion zu gefallen weiß. Dazu darf sich auch der „Das Leben RMX“ gesellen, bei dem das entspannte Instrumental ganze Arbeit leistet.

Glanzpunkt des Albums ist aber ohne Frage „Zwei Eiserne Mikes“ mit Revilo. Ein 5 Minütiges Reimspektakel, in welchem es beiden Akteuren sehr gut gelingt, Inhalt in die raschen Reimen zu bringen. Der Beat dabei fesselnd, ohne sich in den Vordergrund zu stellen, tut sein Übriges und man hat schon wieder das Gefühl, dass 2005 noch gar nicht allzu lange her sein kann, so frisch klingt das 5 Jahre später noch immer. Womit auch ein passendes Fazit gefunden wurde: immer noch eine uneingeschränkte Empfehlung wert an alle, die gerne mehr als übertriebene Geschichten auf die Ohren bekommen wollen und der Stein, der den fortlaufenden und bis heute nicht beendeten Werdegang des Duos ins Rollen brachte. Sehr schön.