Dienstag, 19. Juli 2011

Random Axe - Random Axe




Sie werden groß angekündigt, die Hörerschaft freut sich bereits Monate im Voraus einen Ast, sehnt sich nach musikalischem Output und wird am Ende, nach jahrelangem Warten, schlussendlich bitter enttäuscht. Die Rede ist von sogenannten Supergroups, Zusammenschlüssen von (namhaften) Rappern zu einer Gruppe, die auf dem Papier so manche Traumvorstellungen ausfüllt und im Idealfall zusammenbringt, was irgendwie schon immer zusammengehören sollte. Random Axe, bestehend aus den beiden Detroitern Black Milk und Guilty Simpson sowie N.Y.-Haudegen Sean Price, ist eine solche Supergroup und veröffentlicht mit ihrem selbstbetitelten Album Mitte Juli ihr erstes Album, nachdem bereits Anfang 2009 die Rede von einer Zusammenarbeit auf Albumlänge die Rede war.

Nun gab es schon die ein oder andere zusammen gewürfelte Truppe, so dass man grob von zwei Kategorien sprechen kann. Die eine, das sind Gruppen, die ihre Stärke aus dem Kollektiv ziehen, jeder für sich genommen ist kein Messias vor dem Herrn, doch als Gruppe vereint, schwingt sich jeder zur bestmöglichsten Form auf. Die zweite Variante setzt sich aus unglaublich starken Individuen zusammen, die solo gefährlich gut sind und im Zusammenspiel mit ähnlich talentierten Kollegen noch eine Schippe drauf legen, zumindest aber ihre gewohnten Skills abrufen. So muss zunächst geklärt werden, wozu Random Axe zu zählen ist und ohne große Überlegung lässt sich sagen, dass Random Axe wohl eher zu Letzteren zu zählen ist, die Erwartungshaltung entsprechend klar: klasse Raps auf dopen Beats.

Diese hohen Ansprüche, die gestellt werden, erweisen sich im Laufe der Spielzeit als durchaus berechtigt und finden in zahlreichen Songs ihre Erfüllung. “Random Call” mit einem großartig aufgelegten Black Milk am Produzentenpult, Sean Prices großer Moment auf “Everybody, Nobody, Somebody”, der, begleitet von einem erneut überaus gediegenem Brett von einem Beat, auch den Rest der Mannschaft zu Höchstleistungen anstachelt oder die Solo-Joints “The Karate Kid” (Sean Price) und “Never Back Down” (Guilty Simpson). Hier wird ordentlich was geboten, was die Vorschusslorbeeren wie die Krönung zu einem der meisterwarteten Underground-Alben des Jahrgangs 2011.

Tatsächlich gibt es nahezu nichts Negatives über dieses Album zu schreiben. Natürlich generiert ein solch prominentes Zusammentreffen irrwitziger Erwartungen. Doch wenn ein “Chewbacca” aufgrund eines langfristig eher eintönigeren Beats eher zu den schlechteren Songs des Albums zählt, man dabei aber die wie immer überdurchschnittliche Performance von Roc Marciano als Feature berücksichtigt, wird man sich eingestehen müssen, dass “Monster Babies” seiner Zeit als einziges musikalisches Beweisstück für die Existenz dieser Gruppe nicht zu viel versprochen hat.

“Random Axe” ist ein großes Album von drei großartigen Künstlern. Jeder ist auf seine Art eigen und dennoch schaffen sie es, als Kollektiv für ein gemeinsames Ziel so zu funktionieren, wie man das längst nicht immer erwarten kann. Zwei wunderbar charakteristische Stimmen, ein Produzent/Rapper, der sein Handwerk versteht wie kaum ein Zweiter und eine Hand voll stimmiger Gäste (u. a. Fat Ray, Rock, Trick Trick), machen das Album zu einer herrlich stimmigen Angelegenheit am Ende des Jahres möglicherweise ja gar zu einem der qualitativ hochwertigsten Veröffentlichungen dieses Jahrgangs.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

Freitag, 1. Juli 2011

Im Interview: Phreaky Flave




Letzten Monat noch in der Review-Sektion besprochen, heute als Interviewpartner zu Gast bei 'Resurrection of Rap'; Phreaky Flave, der jüngst mit "Die M8 des Wortes" ein beeindruckend abwechslungsreiches wie inhaltlich gehaltvolles Album auf den Markt warf und nun übers Geschichtenerzählen, Raps Potenzial im Bereich Bildung und Erziehung sowie allgemeine Verantwortung im Umgang mit Worten spricht:

Zunächst erzähl unseren Lesern doch in wenigen Worten etwas über dich, deinen Werdegang und natürlich deine Musik:

Angefangen hat es offiziell 2003 mit Rec-On. 2004 kam mein Debutalbum „IndustrieSanierung“. 2007 kündigte Rec-On seinen Rückzug aus dem Game, womit Raro, Idref und ich zu „Extrem Funktion Movement“ wurden und seitdem unser eigenes Ding machen. EFM hat seit August 2007 vierzehn Releases gedroppt. Ich hab mich immer wieder gemeldet wie z.B. auf den Alben von PhreQuincy "Ich kanns mir leisten", F.R.´s "Vorsicht Stufe" oder Kool Savas´"John Bello Story II". Am 11. Mai ist, nach ganzen 7 Jahren, mein zweiter Longplayer erschienen und die erste Single heißt „Artikulationsakrobat“. Das zweite Video kommt auch noch sehr bald!


Dein neues Album hört auf den Namen "Die M8 des Wortes" und bereits in der Anfangsphase wird eben diese Macht, die durch Worte ausgeübt werden kann, thematisiert. Fühlst du dich, als Rapper, der den Kern seiner Arbeit mit Worten ausfüllt, einer besonderen Verantwortung zugeschrieben?


Ja, in gewisser Weise sollte das eigentlich Jeder tun, der mit Worten in der Öffentlichkeit steht. Ich meine, man hat da auf jeden Fall eine gewisse Verantwortung, die einem zuteil wird - gegenüber dem Hörer und auch Rap gegenüber. Ich habe halt schon über 20 Jahre mit Rap zu tun und daher liegt es mir persönlich bei meinen Texten sehr am Herzen, den essentiellen Wert der Kultur weiter aufrecht zu erhalten, was hierzulande heute nur noch sehr wenige niveauvoll vollbringen.


Hattest du denn schon einmal das Gefühl, dass es andere Rapper gibt, denen offenbar gar nicht bewusst ist, wie viel sie mit ihren Texten, ihren Worten, auslösen und welchen Einfluss sie auf Hörer, gerade etwas Jugendliche, haben?

Dieses Gefühl habe ich fast durchgehend, wenn ich mir neue Sachen aus Deutschland anhöre! Was will man denn auch von den Rappern erwarten, die ihren Kram teilweise ja nicht mal selber schreiben… Das Niveau von deutschem Rap ist texttechnisch leider wieder in den 80ern gelandet, so als ob keiner Ahnung hätte, was gute Rhymes usw ausmacht…

Beim Hören des Albums fällt besonders auf, dass du dich gerne ganzen Themen hingibst. Wie hat man sich also den Arbeitsprozess bei dir vorzustellen? Existiert zunächst ein Thema, um das herum der Text aufgebaut wird und zuletzt der passende Beat ins Spiel kommt? Zuerst der Beat, dann die Idee?

Mein Album ist ja über einen großen Zeitraum entstanden, von 2007 bis 2010.
Ich bin die Songs nicht mit dem Gedanken angegangen, dass der jetzt fürs Album sein wird und der nur so, sondern eher aus dem Feeling raus und habe erst hinterher entschieden, ob er wertvoll genug fürs Album ist oder nicht. Bei mir geht’s meist so vonstatten, dass ich erst den Beat habe und alles auf dessen Stimmung aufbaut. Aber es gab auch Songideen, die ich schon hatte, aber noch auf den passenden Beat gewartet habe, der den richtigen Vibe transportiert, wie z.B. bei dem Song „Aussenseiter“, wo der Beat wirklich erst ein paar Tage vorm Aufnahmetermin feststand, der Text aber schon von 2007 war. Oder bei „Artikulationsakrobat“, wo der Text auch schon seit 2008 fertig war, jedenfalls 2 von 3 Verses.


Gibt es für dich denn nach mittlerweile zwei Alben, Mixtapes und Free Tracks noch bestimmte Themen, denen du dich besonders gerne annehmen würdest?

Ja, die gibt es durchaus. Zum Beispiel das Thema Seelenverwandtschaft oder Verschwörungstheorien. Ich habe ja auch seit dem Albumrelease locker wieder 40 neue Songs gemacht, mit neuen Themen, die ich so noch nie hatte. Ich würde sehr gern ein Partyalbum machen, so in dem Style wie den Song „Flaver Lishuz pt.2“, den ihr euch auf Youtube geben könnt. Weil ich ein exzessiver Partytyp bin und wirklich zu 99% der Letzte bin, der noch auf den Beinen steht, mit dem x-ten Long Island in der Hand, muss ich das noch machen! Die Jägermeistergang wird definitiv dabei sein, wenns soweit sein wird! Grüße an dieser Stelle nach Lemgo an Abroo, Conny, Mirc, Platte, Haken, O-Samer und die dicken Linden in deren Hood! Komme die Tage rum!


Woher kommt dein Faible für Storys? Mochtest du schon früher Tracks, in welchen richtige Geschichten und Themen verarbeitet wurden? Wenn ja, hast du besonders prägende Stücke, die dir im Zuge dessen in den Kopf kommen?

Die Storys sind ja größtenteils Geschichten, die ich selbst erlebt habe. Und diese kommen mit dem Drang, um erstens: Die Dinge zu verarbeiten und zweitens: Um Leute zu erreichen, denen ich damit aus der Seele spreche. Und weil ich denke, dass ich es auch kann. Manche haben die entsprechenden Erlebnisse, aber leider nicht die entsprechenden Fähigkeiten, dass vernünftig in einen Song zu verwandeln, der Bilder erschafft. Jemand, der eine Koryphäe auf dem Gebiet ist, ist zweifellos Franky Kubrick. Grüße an den Boi an dieser Stelle!


Im allgemeinen Bewusstsein nimmt die Bedeutung von Texten immer mehr ab, wohingegen mehr und mehr auf treibende, eingängige Melodien gesetzt wird. Siehst du im Gastauftritt von Kool Savas demnach eine Bestätigung dafür, dass der von dir eingeschlagene Weg, mit gehaltvollem Inhalt, der Richtige ist?

Würde ich das von der Publikumsresonanz abhängig machen, würde ich vielleicht denken, dass ich den falschen Weg gehe mit dem, was ich mache. Aber da ich weiß, wie Rap entstanden ist und worauf es in erster Linie ankommt, liegt es mir sehr am Herzen, die ursprünglichen Ideale aufrecht zuhalten. Heute noch mehr als damals, da die Leute das nach und nach zu vergessen scheinen bzw. es nicht einmal wissen. Ich sehe es daher als meine Aufgabe, es so zu machen, wie ich es mache, während die anderen mit der Zeit gehen. Aber mein Sound wird niemals nur abhängig von der Zeit sein, in der er entsteht…


"Aussenseiter" ist ein äußerst tragischer Bericht darüber, wie Familien in die Brüche gehen können und liegt damit leider gar nicht allzu weit weg von Tragödien der jüngeren Vergangenheit. Welche Nachricht möchtest du dem Hörer damit vermitteln?


Die Message ist, dass das Umfeld einen bis aufs extremste prägen kann. Wir haben bei dem Song versucht, eine Geschichte auf die Beine zu stellen, wie sie das Leben schon öfter geschrieben hat, um dem Hörer so nochmal ins Gedächtnis zu rufen, wie ausschlaggebend der Umgang mit seinen Mitmenschen sein und wie dramatisch sich alles wenden kann, wenn man es falsch, verantwortungslos oder fahrlässig macht.


Der Track "Folterkammer" stellt dagegen ein fast schon akustisches "Hostel" dar und du schreckst auch nicht davor zurück, diese Form von Brutalität in deinen Zeilen zu schildern. Macht man sich in der Schaffensphase eines solchen Stückes Sorgen, der Hörer könne ein völlig falsches Bild von einem zeichnen?

Ja, durchaus sogar! Aber im Endeffekt musste es genau so sein. Das Ding hierbei ist einfach, dass man so viele Morde und Vergehen an Frauen und Kindern mitbekommt, dass ich mich dazu in dieser Form äußern musste, um es auch wirklich bildlich rüberkommen lassen zu können. Klar denkt man die ganze Zeit, dass ich irre bin, aber das ist ja auch gewollt! Ich würde auch irre werden, wenn jemand mir wen nimmt, den ich liebe. Jedenfalls, wenn man es schafft, die Pointe in der Hook abzuwarten, wird man vielleicht eher verstehen, warum ich mein Opfer in dem Song so traktiere… Ich kann dazu nur sagen, dass ich mir schon oft Gedanken machen musste, dass wenn meinen Schwestern oder meiner Freundin sowas widerfahren würde, ich wohl zur Selbstjustiz greifen würde. Ich würde gern wissen, was jemand zu dem Song sagt, der solch ein oder so ein ähnliches Schicksal schon erleiden musste. Ich kann mir vorstellen, dass die Person ähnliche Bilder im Kopf hatte, wie ich in dem Song.


Einer der Tracks, der mir nach dem ersten Durchlauf besonders im Gedächtnis blieb, ist "Grau". Gerade als Mensch, der in der Öffentlichkeit präsent ist, wird man gerne als sorgenfreie Person gesehen. Kann man den Track auch als Zeugnis dafür sehen, dass es auch als Rapper nicht immer nur Sonnenschein, Barbecues und Lebenslust vom Himmel regnet?

Aber selbstverständlich. Er ist ja auch eine echte Reflektion meines Feelings bei regnerischem Wetter. Also ich bin ein ehrlicher Typ und diese Ehrlichkeit fließt auch immer wieder in meine Songs. Das macht meine Songs sogar irgendwo aus… Ich habe ja 2009 auch ein Tape namens „Zu ehrlich fürs Game“ gedroppt, wo ich sehr viel Persönliches von mir preisgebe… Klar habe ich auch meine täglichen Probleme, die wir alle haben. Ich habe ja auch viele Kollegen im Game und egal, wenn du mir nennst, jeder muss gucken, wie er über Wasser bleibt, um nicht unter zu gehen. Wir sind in erster Linie alle Menschen, solange wir atmen oder scheißen, werden wir immer Menschen sein… Und solang wir Menschen sind, wird es Probleme geben, aber ganz ohne wär ja auch langweilig oder? Lol!


Schon lange machte ich mir Gedanken darüber, wieso man eine derart vielfältige, kreative und vor allem auch einflussreiche Musikrichtung wie Rap nicht oder nur unzureichend in den Musikunterricht mit einbindet. Du schilderst in "Rapmusikunterricht" eine Situation, wie ich sie mir während meiner Schulzeit stets gewünscht habe. Denkst du, dass man hier bislang zu wenig Potenzial ausgenutzt hat und Rap bis hierhin zu Unrecht eher ausgrenzte?

Nun ja, ich denke, dass die meisten deutschen Musiklehrer Rapmusik nicht wirklich als Musik sehen, sowie Rapper z.B. Minimal oder so vielleicht nicht als Musik akzeptieren. Das Problem ist aber auch, dass man brauchbaren Rap für Schulzwecke eher nicht vor die Nase gelegt bekommt und von welchem Lehrer könnte man schon erwarten, dass er sich mal 2 Monate mit Deutschrap auseinandersetzt, um sich selbst ein eigenes Bild zu verschaffen und sich nicht einfach den Klischees hinzugeben. Es ist ja sogar für jemanden mit Ahnung von Rap nicht mehr so leicht, was Niveauvolles zu finden.

An dieser Stelle muss ich aber Herrn Gleisberg von der Hauptschule am Niesenteich in Paderborn loben, mit dem ich gerade einen Workshop beginne. Er kennt sich doch ziemlich gut aus und weiß worauf es bei Rap ankommt. Und er sieht in Rap das Potential, es in seinem Unterricht als Arbeitsstoff zu nutzen, was ich beachtlich finde! Er weiß, dass dies ein super Draht zu den Schülern ist und dass er so ihr Interesse um ein vielfaches eher als bei Beethoven catchen kann. Das Thema Rap sollte jeder Musiklehrer im Land mit jeder Klasse einmal angegangen sein, finde ich. Rap ist das Sprachrohr der Jugend und sollte besonders an deutschen Bildungsstätten mehr Zugang in den Unterricht finden.

Eines muss ich noch hinzufügen. Der Song steht im übertragenen Sinne auch für die Deutschrapszene, ich bin der Lehrer mit der Erfahrung, dem Wissen usw, die Szene besteht aus meinen Schülern, so kommen alle auf den richtigen Weg, lol!


Ich bedanke mich für deine Zeit, wünsche dir viel Erfolg mit deinem neuen Album und überlasse dir die letzten Worte.
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Ich möchte nochmal jedem Rapfan ans Herz legen, sich mein Download-Tape (Flaver Lishuz Crack Vol.2) zu besorgen, auf welchem 18 exklusive Songs sind, die es nicht aufs Album geschafft haben. Auf www.ef-movement.de
könnt ihr es umsonst saugen und auf unserem Kanal www.youtube.com/user/efmtv
findet ihr zum Album Snippetvideo, Albumvorstellung, Making ofs usw.
Wenn euch das Rest-Tape gefällt, müsst ihr das Album definitiv kaufen oder ihr verarscht euch selbst! Ich möchte mich nochmals bei allen Fans und Supportern bedanken, die hinter mir und EF-Movement stehen, sowie bei Sherin und der Juice!

Beste Grüße, euer Flaver!!

One Love