Mittwoch, 28. März 2012

MoTrip - Embryo




Rap ist, da machen wir uns alle nichts vor, seit Jahren schon mehr Egoismus als Gruppenarbeit, mehr Ich denn wir und vor allem viel mehr dagegen als dafür. Man könnte gar soweit gehen und von einer fast durch und durch unsozialen Szene sprechen, die sich nur in den seltensten Fällen auf einen gemeinsamen Nenner einigen kann. Umso erfreulicher ist es demnach, wenn dieser höchst unerwartete Fall eintritt und wir zeuge von etwas sein dürfen, dass uns allen – realistisch formuliert: fast allen – gefällt und uns etwas bringt. MoTrip ist einer dieser Ausnahmeerscheinungen und bringt uns mit „Embryo“ sein Debüt und gemessen an seinen bisherigen Auftritten die berechtigte Hoffnung auf beste Unterhaltung gepaart mit hohem technischen Anspruch. Zu viel, für ein Debüt?

Zu Beginn kommt man jedenfalls nicht darum herum, MoTrip eine gewisse „Wunderkind“-Aura zuzugestehen. Natürlich ist dies ein überaus hochtrabender Begriff (insbesondere, da es mittlerweile schon einen sich in Reimenden ausdrückenden Säugling bedarf, um dieser Formulierung gerecht zu werden) , der beim gebürtigen Libanesen jedoch weitaus weniger Fehl am Platze wirkt, als sonst üblich. Wie sonst lässt es sich erklären, dass Trip, Baujahr 1988, ohne richtige Veröffentlichung bereits das Vertrauen von den Größten im Spiel genießen konnte. Savas, Sido, Samy,…sie alle fanden Gefallen an dem, was da aus dem gutbürgerlichen Aachen so dröhnte. Eine Stimme mit Wiedererkennungswert. Das Talent, sich in Reimen auszudrücken. Und dazu diese gute Portion Menschlichkeit, die so manchem Alibi-Nachwuchsrapper gut zu Gesicht stehen würde.

Nun mögen das gute Vorzeichen sein, jedoch keine Garantie dafür, dass alleine alles ebenso gut funktioniert, wie an der Seite von gestandenen Größen. Ein Feature oder gar ein Song sind eine Sache, ein ganzes Album, hier mit insgesamt 17 Anspielstationen, jedoch ein ganz anderes Kaliber. Dessen war sich MoTrip offenbar bewusst und entschied sich für den richtigen Opener: „Kennen“ ist ein dankbares Stück Rapmusik, ein Paradebeispiel für einen gelungenen Auftakt und die Vorzeigevisitenkarte schlechthin. Der Beat treibt ordentlich voran, die Sprüche fallen von Anfang an fast schon erschreckend locker und sicher, so dass es kein Wunder ist, dass schon im direkten Anschluss „King“ folgt. Selbstbewusstsein scheint hier vorhanden zu sein und bis dahin muss man attestieren, dass es hierfür genügend Gründe gibt.

Tatsächlich steigert sich MoTrip noch weiter, indem er den inhaltlich noch eher dünneren Stücken Lieder folgen lässt, die den Ansprüchen des Künstlers voll und ganz gerecht werden. Das ruhige „Die Frage ist wann“, das von akustischer Gitarre begleitete „Feder im Wind“ oder auch „Tagebuch“ – ehrliche, fesselnde und höchst unterhaltende Tracks, die ohne schmalzige Phrasen daher kommen. Und auch wenn zwischendurch vermeintlich einfach gestrickte Stücke wie „Kanacke mit Grips“ oder „Gorilla“ folgen, besteht kein Zweifel daran, das MoTrip in seinen Stücken gerne Wahres erzählt, seine Gedanken preisgibt und den Hörer teilhaben lässt, statt bloße Geschichten und Behauptungen in den Raum zu werfen.

Wo nun mancher Gefahr läuft, im (sehr guten) Standard zu verweilen, entpuppen sich auf „Embryo“ gleich drei besonders starke Tracks als Höhepunkte des Hörspiels. Zum einen der auf einem Kracherbeat stattfindende Dialog mit Gast Marsimoto auf „Triptheorie / Meine Rhymes & Ich“, zum anderen das emotional angreifende Titelstück (welches sich, wie das Intro auch, am Ende des Albums befindet) und „Wie die Zeit verrennt“. Hier bekommt man einen dramatisch wirkenden Beat auf die Ohren, eine hängen bleibende Hook und eine offen dargelegte Erkenntnis: „Als kleiner Junge träumte ich noch unbeschwert / Ich kannte keine Ängste, heute ist es umgekehrt“

Lange Rede, kurzer Sinn: „Embryo“ ist ein kleines Meisterwerk und in jeder Hinsicht außerordentlich gut. Seien es die sauberen Produktionen von Paul NZA und Numarek, die Sicherheit von Trip hinterm Mic oder einfach nur die wirklich überzeugenden Ergebnisse, die zu Stande kommen, wenn man diese beiden Komponenten vereint. Ein Debütalbum, das alle Türen öffnet, die Erwartungen und den Druck an weitere Werke MoTrips steigen und den Hörer lieben lässt, so dass dieser sich nach siebzehn Stücken dabei ertappt, wie er seine neueste Errungenschaft mit dem Kosenamen ‘Mein Baby’ in die Plattensammlung entlässt. Das ist „Embryo“.



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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

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