Montag, 21. Juni 2010

Eminem - Recovery




Halbzeit im Jahr 2010 und es wird mal wieder nur allzu deutlich: bei all dem Fanatismus um Lil Wayne in den letzten Jahren und dem fast schon übertriebenen Hype um Drake, der wahre König der Massen kommt noch immer aus Detroit, Michigan. Wenn Marshall Mathers veröffentlicht, dann schenkt ihm die mediale Welt die vollste Aufmerksamkeit. Monate im Voraus wird über mögliche Gastspiele und Produzentenbeiträge spekuliert, Suchmaschinen laufen heiß und jeder wartet sehnsüchtig auf die Antwort zur Frage, was Eminem denn dieses Mal nur wieder alles aus seinem Hütchen zaubert.

Nach „Relapse“, dem Rückfall, nun als „Recovery“, die Genesung. Sechzehn Stücke, die im Gegensatz zum Vorgänger auch Produzenten beherbergen, die außerhalb des bekannten Shady-Umfelds kommen wie etwa Just Blaze oder Jim Jonsin. Dazu wenige, aber umso namhaftere Gastbeiträge, die mit Ausnahme von Lil Wayne wenig mit Rap zutun haben als vielmehr mit, man darf es ruhig aussprechen, Pop. Da sich jedoch auch Em gerne in den Chartgefilden einnistet, wirken die Beiträge von Pink und Rihanna fast schon weniger überraschend, als man es im ersten Moment vermuten mag.

Überraschender ist da schon der Beginn des Albums in Form von „Cold Wind Blows“. Ohne großes Drumherum bekommt man einen Just Blaze-Beat der besseren Sorte hin geklatscht und bewundert Eminem bei seiner fünfminütigen Performance, die, gespickt von allerlei Schimpfwörtern, angemessen auf das im Anschluss folgende einstimmt. Beispielsweise das von Mr. Porter in Szene gesetzte „On Fire“, einer bloßen Zurschaustellung von Herrn Mathers absurden Können hinterm Mikrofon, bei der auch eine Brooke Hogan einen kleinen Seitenhieb einzustecken hat.

Gemeinsam mit Pink wird anschließend in gut viereinhalb Minuten mehr Energie frei, als auf so manchem Konkurrenzalbum, so dass der Titel „Won’t Back Down“ angesichts der bissigen Lines durchaus Sinn macht. Weniger Sinn, dafür aber Spaß, macht „W.T.P.“, wenn zur White Trash Party geladen wird, bei der der ‚Stephon Marbury of Rap‘ besonders intensiv auf die Ladies eingeht und auf Seiten der Hörer für Lacher sorgt. Typisch Shady, wenn man so will. „Not Afraid“ wiederum bedarf aufgrund des Erfolges und mächtigen Airplays keinen großen Umschreibungen: So klingt erfolgreicher und ganz nebenbei noch gut gemachter/gerappter Sprechgesang.

Unkonventionell erneut Just Blaze, der sich nach „Dragostea Din Tei“ das nächste mutige Experiment vorgenommen hat und für „No Love“ mal eben Haddaways „What Is Love“ zu einem reichlich interessanten Beat umgerüstet hat, wenngleich der Crime Mob dies bereits drei Jahre zuvor vormachte. Hinzu kommt Lil Wayne und fertig ist der von der Machart her mutigste Track des Albums, der erfrischend anders ins Ohr geht. Der gute Dr. Dre bleibt derweil in gewohnten Gefilden und liefert mit „So Bad“ einen Brecher klassischer Bauart – nicht selten, aber schön.

„Recovery“ ist das, was sich so manch einer nach „Relapse“ erhofft haben wird. Eine stellenweise Abkehr vom Gewohnten, die bereits durch das Hinzuführen weiter Produzenten herbeigerufen erreicht wird. Mit einem Eminem, der sich mit jedem Stück hörbar Mühe gegeben hat und verstärkt ernste Lines hat einfließen lassen, ohne den Spaß gänzlich auf der Strecke zu lassen. Features, die harmonieren (selbst Rihanna weiß zu gefallen), musikalische Vielfalt wohin man blickt und über alledem der Wortschwall von einem der größten Rapper der Geschichte. Rap-Herz, was möchtest du mehr? Genesung vollendet.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

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