Montag, 19. April 2010

Negundo - No Icecream For Frieda




In den Köpfen vieler herrscht noch immer dieses ‚Früher war alles besser‘-Denken und spätesten seit Nas wurde es zum gern genutzten Zeitvertreib, Rap für tot zu erklären. Dass sich manches im Laufe der Zeit jedoch auch zum Guten gewandelt hat, unabhängig von negativ behafteten Dingen wie sinkende Verkaufszahlen und inhaltliches Vakuum, wird dabei gerne außen vor gelassen. Man denke nur an den Produzenten, einst eine eher unscheinbare Person, die im Schatten des Glanzes der Künstler ein müdes Dasein fristet, mauserte sich der Produzent nach oben und schaffte es in nunmehr nicht wenigen Fällen, sich selbst als Star zu etablieren, dem die Künstler wiederum die Füße küssen.

Die Folge sind unzählige Produzentenalben, die oft alle der gleichen Formel einhergehen. Man nehme die bekanntesten Namen im Adressbuch des Produzenten, konstruiere daraus schlüssige Konstellationen und packe das Ganze in Albumlänge als buntes Einerlei in die Läden. Kann interessant sein, sowas. Aber auch langweilig, ausgelutscht und belanglos. Schön daher, dass es noch Personen gibt wie Negundo, seines Zeichens einer der alten Hasen im deutschsprachigen Spiel. Als Beat-Bastler bereits tätig gewesen für unter anderem Herr von Grau und Morlockk Dilemma, kommt dieser einfach mal mit seinem Entwurf eines Produzentenalbums um die Ecke.

Doch statt übertrieben auf Hochglanz polierte Playlist für die Großraum-Diskothek, besorgt Negundo lieber feines Material für die, die Rap nicht wegen dem unlängst überstrapazierten Materialismus schätzen. So gibt es statt großer Namen ein 21 Stücke umfassendes Album mit überwiegend unbekannteren Namen, die hier auf Englisch, Französisch und natürlich Deutsch ihr lyrisches Talent zum Besten geben. Soweit die Fakten, nun zum eigentlichen Inhalt, den Tracks.

Wie die vertretenen Gäste, beschert einem auch Negundo selbst ein vielschichtiges Angebot an Instrumentalen. Vom klassischen Brett samt wohliger Cuts von DJ NST mit Wortspielen von den Partners in cRhyme („Das Brett“) über ein rumsendes, elektronisches Beatgerüst in Form von „Leader“ bis hin zum asiatisch angehauchten Feeling auf „Pleite und blank“ ist viel Abwechslung geboten, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, alle Geschmäcker bedienen zu wollen. Die Künstler selbst liefern Kritik am aufgesetzten Image vieler ihrer Kollegen, präsentieren sich als Prinzen des C2H6O (= Alkohol) oder arme Schlucker, lassen sich über Hausfrauen und Drecksschlampen ab oder lehnen sich zurück getreu dem Motto ‘Life is good’.

So sind zum Teil richtig dicke Dinger entstanden, etwa „Endstation“ vom gewohnt guten Herr von Grau, welcher wohl auch den klangvollsten weil bekanntesten Namen aller Beteiligten trägt oder aber das von astreinen Reimen auf dopen Beat gepaarte „WWW“ mit eSKay, der eine starke Figur abgibt. Eine tolle Vorstellung gibt es auch von Lars vom Dorf, dessen Beitrag zu „Pleite und blank“ ohne Frage zu den Glanzpunkten von „No Ice Cream For Frieda“ gehört.

Wer es etwas gewöhnungsbedürftiger mag, der greife zu „Echter Mann“ von Häuptling und DJ Cutaholic. Eigenwillige Vortragsweise, dazu ein dennoch passender Beat und fertig ist der Track, an dem sich die Geister scheiden – Geschmackssache. Zwar wirken besonders die englischen Gäste etwas blass trotz technisch ordentlicher Leistung und werden von den deutschen Parts klar in die Schranken verwiesen. Als willkommene verbale Abwechslung nimmt man diese dann aber dennoch gerne wahr und hört sich so von Track zu Track, bis es nach dem Bonus in Form eines Remixes zu „The City Never Sleeps“ von den Brown Bag Allstars heißt: Schicht im Schacht.

Wer Lil Wayne und dessen Young Money-Umfeld feiert, Timbaland frenetisch feiert und überhaupt mit Rapmusik klassischer Bauart nicht allzu viel anfangen kann, der wird sich schwer tun mit vorliegendem Album. Alle anderen, die auch mal die Schlichtheit als Bewundernswert begreifen, sollten sich die Mühe machen und rein hören. Oder einfach das dazugehörige Interview mit Negundo lesen. Lohnt sich.

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