Montag, 19. April 2010

Im Interview: Negundo




Gerade eben erst in Form einer Review im Zentrum der Aufmerksamkeit, schon geht es weiter mit Negundo. Dessen Album „No Icecream For Frieda“ bot nicht nur jede Menge hochklassiges musikalisches Material, auch Gesprächsstoff für ein kleine Interview. Resurrection of Rap im Gespräch mit dem Produzenten über Schokoladeneis am Stiel, Französisch und das Geschehen im Rap-Kosmos.

Negundo, du bist seit mehr als einem Jahrzehnt aktiv mit dabei und hast sicher viel erlebt. Gab es bestimmte Momente, die dich rückblickend besonders prägten oder beeinflussten?

- Ja, da gab es ein paar Sachen. Als ich mit Hip Hop angefangen habe, war ich zuerst MC. Als sich dann meine damalige Crew aufgelöst hatte, dachte ich mir: „Jetzt erst recht!“ Und so kam es zu Last Survivor Records. Allgemein ist zwischen 1998 und 2002 sehr viel passiert. Zu erwähnen wäre noch, dass wir wie alle am Anfang auf Instrumentale von Platte gerappt haben, man aber dann doch mehr will und so kam es, dass E.V. Flash uns die ersten Beats gab und ich durch ihn auch zum Produzieren kam.



Dein neues Produzentenalbum trägt den Titel „No Icecream For Frieda“. Was hat es damit auf sich?

- Eigentlich nichts spezielles. Es gab verschiedene Titel zur Auswahl, die ich immer wieder verworfen habe, weil es mir auch wichtig ist, dass Titel und Cover zueinander passen. Tendenziell stehe ich nicht so auf die überladenen Posing-Cover. Anfang des Jahres habe ich mit einem Freund ein paar Beats durchgehört und zum Dessert haben wir nebenbei Schokoladeneis am Stil gegessen. Mein, vom Gesetz her als gefährlich eingestufter Kampfhund Frieda hätte gern ihre Portion bekommen, aber mein Gast sagte ihr dann „No Icecream For Frieda.“ Und so kam eins zum anderen.


Als Produzent hast du schon den ein oder anderen bekannteren Namen mit Beats versorgt. Gab es dabei Zusammenarbeiten, die dich besonders erfreuten?

- Generell ist jede Zusammenarbeit erfreulich. Die wohl bekanntesten Künstler, mit denen ich in letzter Zeit zusammengearbeitet habe, sind Herr von Grau aus Berlin oder eben Morlockk Dilemma aus Leipzig.


Seit letztem Jahr gehörst du zum Netzwerke-Team, welches Anfang des Jahres bereits den dritten Teil der Samplerreihe veröffentlichte. Was hat dich dazu bewogen, Teil dieses Ganzen zu werden?


- Dadurch, dass ich seit 2006 selbst jedes Jahr einen Sampler produziere, sind solche Projekte für mich generell interessant. Ich bin dann im Netz darauf aufmerksam geworden und da ich mit Main Moe einen MC vor Ort hatte, der sowieso wöchentlich bei mir im Studio vorbeigekommen ist, um zu recorden, konnten wir recht kurzfristig noch einen Song zum zweiten Teil beisteuern. Für die danach erschienene Remix LP wurden die verschiedenen Produzenten der Netzwerkereihe kontaktiert um aus den beiden Teilen noch einige Klassiker neu aufzulegen. Ein besonderer Reiz beim Netzwerke Sampler war eben auch, dass es ein völlig neues Umfeld war.



Macht es für dich denn einen Unterschied, ob du mit einem bekannten Künstler wie Morlockk Dilemma zusammenarbeitest oder einem weitgehend unbeschriebenem Blatt?

- Nein, denn in erster Linie achte ich als Produzent darauf, dass der MC sein Fach versteht und am Ende Beat, Text und Flow eine runde Sache ergeben. Was die Zusammenarbeit mit Morlockk Dilemma betrifft war es so, dass wir 2001 mit unserer jeweiligen Crew in Riesa aufgetreten sind. Als ich bei ihm dann Ende 2006 wegen des „Inter City“ Albums angefragt hatte, war er zwar schon ein bekannter Untergrundkünstler, aber deutschlandweit noch eher ein unbeschriebenes Blatt.


Auf deinem Album versammelst du Künstler aus ganz Deutschland und darüber hinaus. Da muss die gern gestellte Frage erlaubt sein, in wie weit du vom Internet und dessen Möglichkeiten profitierst? Wie kam der Kontakt zu den jeweiligen Gästen zu Stande?


- Ach ja, das gute Internet. Segen und Fluch zugleich. Aber es stimmt - viele Kontakte kamen über das Internet, da ich selbst ein „Kind aus der Provinz“ bin und nicht viel aus meinem Kämmerchen komme und nur gelegentlich ausgewählte Konzerte besuche. Insgesamt, würde ich sagen, sind ca. 50% der Kontakte über stundenlange Internetsuche entstanden und der Rest lief über Bekanntschaften, Jams und bereits vorhandene Kontakte. Bei einem solchen Projekt mit ca. 30 Beteiligten kann man nicht alle besuchen oder einladen, da es sicherlich den zeitlichen und finanziellen Rahmen sprengen würde. Die meisten haben ja heute die Möglichkeit, ihre Songs bei sich aufzunehmen und dann ist es dank des Internets einfacher geworden, diese zu verschicken.



Du hast mit Zoën auch französische Zeilen auf dem Album. Bist du selbst der französischen Sprache mächtig und in der Lage, die gerappten Inhalte zu verstehen?

- Nein, leider nicht. Auf dem “Inter City” Album war ja auch schon ein französischer Track von G-Starr, der aber auch deutsch sprach. Ich wollte dieses Mal auch wieder einen dabei haben. Französischen Hip Hop fand ich schon immer interessant - es gibt dort schließlich eine sehr große Szene. Einige Platten und CDs habe ich auch zu stehen. Darüber hinaus denke ich, dass einige nicht einmal englische Texte verstehen. Als Produzent sind mir Inhalte zwar auch wichtig, doch wenn ich Konzerte besuche, dann interessiert mich in erster Linie der Beat, dann kommen Text und Flow. Rapper, im Umkehrschluß, achten bestimmt mehr auf die Vocals.



Besonders beeindruckt hat mich das Stück “WWW” mit eSKay, der einen sehr sauberen Beitrag geleistet hat und von dem man gerne noch mehr hören möchte. Ärgert es dich, dass sich der Fokus der Aufmerksamkeit hier in Deutschland zumeist auf eine Hand voll Künstler beschränkt?


Ja, das ärgert einen schon irgendwie, aber das ist in vielen Bereichen so, daß das was gut ist nicht immer gleich dem ist, was am bekanntesten ist. Zudem hat diese Hand voll Künstler meist auch einen guten Promotion Apparat seitens eines Labels im Rücken.
Die mangelnde Künstlervielfalt liegt zum einen sicher auch daran, dass die Magazine/Portale täglich mit Demos von “Ich rap seit gestern und will morgen berühmt sein” MCs überflutet werden und sich vielleicht lieber auf die etablierten Namen fokusieren.
Um den Bogen zu eSKay zu schlagen – man wird sicher mehr von ihm hören, zumal wir beide dieses Jahr noch eine EP machen wollen.



Könntest du deinen eigenen Sound in wenigen Worten zusammenfassen für die, die noch nichts von deinen Beats gehört haben?

- Seinen eigenen Sound zu beschreiben, finde ich immer etwas problematisch, aber was man vielleicht sagen kann ist, dass ich nicht besonders viele Partytracks produziere. Ich denke, meine Beats sind zumindest so abwechslungsreich wie die Künstler, die sie sich aussuchen.



Titel wie “Life Is Good” oder “Hear No Evil” erwecken einen optimistischen Eindruck, während “Scheiss Auf Hip Hop” mehr die pessimistische Ader erkennen lässt. In welcher dieser Sparten siehst du dich am Ehesten zu Hause?

- Musikalisch mag ich beides. Persönlich halte ich mich eher für einen Optimisten.


Dein Lieblingsalbum des vergangenen Jahres?

- Auf ein Album würde ich mich jetzt nicht so festlegen wollen. 2009 gab es für mich mehrere Alben, die auch wieder sehr unterschiedlich sind, wie zum Beispiel Herr von Grau mit „Heldenplätze“, „Apokalypse Jetzt“ von Hiob und Dilemma, „Angst“ von Donato und auch „Zuckerbrot und Peitsche“ von Mädness.


Wohin gehend siehst du die Entwicklung des Hip Hop, insbesondere Rap, in den nächsten Jahren? Eine Rückkehr zu den Wurzeln mit Wertlegung auf Können?

- Natürlich habe auch ich keine Glaskugel, um eine präzise Antwort zu geben. Letztlich gab es schon immer viele parallele Strömungen im Rap, die sich abwechselnd ganz oben befanden. Man muss auch unterscheiden zwischen dem, was diverse Medien in die Szene hineintragen und was die Szene selbst hervorbringt. Ich würde mir wünschen, dass insgesamt wieder mehr auf Qualität als auf Quantität geachtet wird und Promotion als Ergänzung zum Tonträger gesehen wird und nicht umgekehrt.


Was dürfen wir in absehbarer Zeit noch so alles von dir erwarten? Konkrete Pläne?

- Es hat sich jetzt so eine Art Zyklus ergeben, dass das nächste Projekt wieder ein Download in der Machart „SoundStattBroetchen“ mit Remixes, Exklusives und Songs, die bereits auf den Künstleralben veröffentlich wurden, wird. Darüber hinaus wird es nach dem Download auch wieder ein „richtiges“ Album geben. Wahrscheinlich werde ich auch am dritten Teil des Netzwerke Samplers beteiligt sein. Außerdem haben sich bereits verschiedene Soloprojekte von Crewmitgliedern angesammelt, die 2010 kommen werden.


Ich bedanke mich für das Interview und wünsche weiterhin viel Erfolg mit deinem Album.

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