Samstag, 12. Dezember 2009

Herr Von Grau - Heldenplätze




In der deutschsprachigen Rap-Szene gibt es viel zu entdecken. Von großen Namen, die selbst die Charts regelmäßig mitbestimmten über stets zu unrecht vernachlässigte Künstler bis hin zu ambitionierten, noch unbekannten Namen. Und dann gibt es noch Charaktere wie Herr von Grau, die mit ihrem eigenen Sound und viel Liebe zu dem was sie tun scheinbar aus dem Nichts kommen und auf Anhieb Fuß fassen, so dass jeder der was auf sich hält auch darüber Bescheid weiß. Ehe man sich versieht, findet man sich auch schon auf „Deutschlands Vergessene Kinder 2“ wieder und grüßt Curse zu seiner Rechten und Die Firma zu seiner Linken. Wesentlichen Anteil bei dieser Erfolgsgeschichte hatte mit Sicherheit das Album „Heldenplätze“, das quasi den Startschuss einleitete und Herr von Grau ins Bewusstsein der Deutschrap-Freunde katapultierte. Warum also nicht mal einen Blick nach hinten wagen und sich dem 17 Anspielpunkte umfassenden Album des Herrn widmen?

Als Vertreter der non-digitalen Zunft erfreut es mich bereits vorm Hören, dass das Album in schön gestalteter Papp-Schieber-Verpackung daher kommt und man alleine mit dem Betrachten des Covers so manch vorbeiziehende Minute füllen kann. Der Gastgeber empfängt einen während dessen schon einmal mit seiner unverwechselbaren Stimme und stimmt ein auf das abwechslungsreiche Programm von „Heldenplätze“. Schon zu Beginn gibt es anspruchsvoll vorgetragene Textpassagen zu hören, die mich vom Schema her immer ein wenig an „MFG“ der vier Fantastischen erinnern und dem Schreiber sicherlich nicht einfach so aus dem Ärmel fallen. Da gehört schon etwas dazu, zumal mit später folgendem „Nicht Jeder“ gleich noch eine lyrische Glanzleistung ähnlichen Ausmaßes folgt.

Daneben glänzt das Album dank seiner durchweg am Boden der Tatsachen angesiedelten Themen, die für jeden nachvollziehbar erscheinen. Ausgeschmückte Drogen-/Gangstertum-Geschichten sucht man hier vergebens. Stattdessen gibt es beschwingte Stücke über erhoffte Turtelleien mit „Nebenan“, anhimmelnde Poesie in Form von „Zu schade für Sprache“ und „Töchter“, der inoffizielle Soundtrack für alle, die nach Trennung vom Partner noch in der Herzschmerzphase stecken, so langsam aber sicher gerne wieder ausbrechen würden.

Ein Prunkstück in Sachen Geschichtenerzählen bekommt man mit dem Titeltrack geliefert, bei dem das Folgen des Inhaltes weder anstrengt noch langweilt, vielmehr erlaubt es dem Gedankenkino eine weitere gelungene Vorstellung. Nicht weniger gelungen auch „SMS“, das thematisiert, was wohl schon jeder erlebt hat – spät am Abend tippt man Hals über Kopf und geblendet von einem teuflischen Gefühlscocktail eine Nachricht ins Handy, die man möglicherweise schon wenige Stunden später, konkret am morgen danach bitter bereut. Wem das alles noch immer nicht reicht, er darf Herr von Grau als Freund der Meinungsfreiheit kennenlernen („Klebeband“), als vorsichtig agierender Kritiker der Oberschicht („Eingefrorn“) und körperbewussten „Tänzer“. Unfreiwillig aktuell gibt sich zum Schluss hin dann auch „Drinnen“, welches dank der allseits grassierenden Schweinegrippe noch besonders zu empfehlen wäre.

Kurzum also eine herausragende Eigenproduktion, die durch selbst erschaffendes Soundbild und tolle Texte überzeugt, ohne dabei verkrampft und gezwungen in Richtung Anderssein zielt. Der Käufer des Albums ist damit ein Stück gehaltvollen Raps reicher und Deutschrap darf sich glücklich schätzen immer noch so erfreuliche Eigenbrötler beherbergen zu dürfen.

1 Kommentar:

  1. falls es dich interessiert auf meinem blog findest du ein langes interview von mir mit den beiden. schicke review übrigens. gefällt.

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